Der Rache Suesser Klang
Ecke, wie ein gefangenes Tier. Sue hielt ihm einen Teller Hühnchen, ein Glas Wasser und einen Zettel hin.
Iss langsam.
Er beäugte das Essen eine lange Weile, dann nahm er es und begann, in kleinen Bissen zu essen. Und die ganze Zeit über beobachtete er sie, und obwohl er so ein kleiner jämmerlicher Feigling war, sah sie immer wieder Hass in seinen Augen aufblitzen, also holte sie die Brille des Arztes hervor und setzte sie mit großer Geste auf. Dass er sofort begriff, war nicht zu übersehen.
Dumm war er nicht. Aber das hatte er bestimmt nicht seinem Alten zu verdanken. Der Hass in seinen Augen verschwand, als sei er nie da gewesen. Sie nahm den Zettel wieder an sich und fügte eine Zeile hinzu
. Wenn du heute das Zimmer verlässt, bist du morgen tot.
Eine weitere mitternächtliche Wanderung konnte alles zerstören.
Im Augenblick war sie hier sicher. Caroline und ihre Bedenken waren vorübergehend aus dem Weg geräumt. Dr. Lees Tod wurde einem Überfall zugeschrieben. Vaughn hatte die Kontonummer und würde eine Anzahlung von fünfundzwanzigtausend Dollar in den nächsten vierundzwanzig Stunden überweisen, weitere fünf Millionen in den nächsten achtundvierzig. Und der Ausweis, den sie brauchte, um das Land zu verlassen, lag in der obersten Schublade von Dupinskys Schreibtisch.
Alles in allem lief es ziemlich gut.
Chicago
Dienstag, 3. August, 19.15 Uhr
Noch eine.
Das war alles, was Ethan denken konnte, als er am kleinen Tisch im vorderen Zimmer seiner Hotelsuite saß und auf das Video starrte, das er von dem Geschäft bekommen hatte, aus dem die letzte E-Mail abgeschickt worden war. Ein Internetcafé kombiniert mit einem Buchladen. Er hatte das Video digital bearbeitet und es Frame für Frame analysiert, bis er die Kreditkarte, die sie dem Angestellten gegeben hatte, um den Computer zu benutzen, deutlich sehen konnte. Ethan nahm das Foto und blickte mit wachsender Verzweiflung auf den Namen, der auf der Karte stand. Kristie Sikorski.
Er hatte herausgefunden, dass Kristie Sikorski eine Kinderkrankenschwester war und drei Kinder hatte. Ethan hatte nicht viel Hoffnung, dass sie sie lebend finden würden. Und das Miststück trug wieder einmal die Kappe, so dass er ihr Gesicht nicht sehen konnte. Einmal hatte sie aufgeblickt, woraufhin er ihre untere Gesichtshälfte erkennen konnte, doch die Vergrößerungen zeigten nur, dass sie eine dicke Schicht Make-up und dunkelroten Lippenstift aufgetragen hatte, der ihre wahre Mundform effektiv verbarg. Sie waren Alec nicht näher als zuvor.
Sie wurde dreister. Hatte sich erst einmal in Ruhe einen Kaffee gegönnt, bevor sie die E-Mail abgeschickt hatte. Und sie hatte ein Buch über Zeichensprache gelesen. Dieser Anblick hatte ihm die Haare zu Berge stehen lassen. Ethan nahm das Bild und starrte auf das Buch in den Händen der Frau. Sie hatte Zeichensprache gelernt, bevor sie ihre Lösegeldforderung abgeschickt hatte.
Eiskalt.
Das Foto, das sie an die Mail angehängt hatte, zeigte Alec auf dem Bett, das sie nun schon kannten. Er hatte sich ganz klein gemacht und schien zu schlafen. Er hoffte es wenigstens. Er sah aus wie tot, und Ethan nahm an, dass die Frau das wusste. Dass sie versuchte, die Ängste einer entsetzten Mutter zu schüren. Ethan wünschte, er hätte Randi trösten können. Dana hätte es gekonnt. Dana hätte Randi begreiflich machen können, dass sie keine Schuld an der Entführung ihres Sohnes trug, und Randi würde es glauben, denn in der kurzen Zeit, die Ethan Dana nun kannte, hatte sie auch ihn dazu gebracht, wieder zu glauben.
Er brauchte sie, dachte er. Brauchte die Unterstützung, die allein ihre Nähe ihm gab. Er würde sie anrufen. Vielleicht hatte sie eine Stunde Zeit für ihn. Eine Stunde würde reichen, um ihn wieder so weit aufzubauen, dass er weitermachen konnte. Dass er weiter nach einem Kind suchen konnte, das in dieser Drei-Millionen-Stadt nahezu überall sein konnte. Müde stützte Ethan die Ellenbogen auf den Tisch und die Stirn auf die Fäuste.
Ein Klopfen an der Tür ließ ihn hochfahren. Rasch schob er die Bilder zusammen und steckte sie unter die große Mappe, in der das Hotel verschiedene Preislisten bereithielt. Dann stand er auf und öffnete die Tür.
Und konnte nur starren. Dana sah zu ihm auf, und der Blick ihrer sonst so ruhigen Augen war stürmisch. Sie hatte die Lippen fest aufeinandergepresst und ihre Hände an ihren Seiten zu Fäusten geballt. In seinem Bewusstsein fielen alle Gedanken in sich zusammen wie ein
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