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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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Dienstboten einfach nicht, die Arbeit der Polizei in Frage zu stellen. Ihre Aufgabe bestand darin, ihren Pflichten nachzukommen, ohne das Verhalten ihrer Herrschaft infrage zu stellen.
    Hawkwood nagte an seiner Unterlippe. Mit jeder Minute wurde die Spur kälter. Die Zeiger der Uhr auf dem Kaminsims deuteten auf halb fünf. Und er musste sich mit Lomax in den Four Swans treffen.
    Aber in die Red Lion Street in Clerkenwell war es nicht weit. Vielleicht konnte er auf seinem Weg dorthin zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
     
    Hawkwood grübelte, wie alt Isadore Knibbs wohl war. Seine Gesichtshaut ähnelte Pergament, aber er hatte die funkelnden wachen Augen einer Krähe. Er war sehr klein, und seine Hände waren schmal und zierlich wie die eines Kindes. Nur die unter der Haut sichtbaren Adern verrieten sein Alter. Für einen Mann in fortgeschrittenen Jahren waren seine Finger erstaunlich geschmeidig. Außer schwindender Sehkraft muss Arthritis für einen Uhrmacher die schlimmste Krankheit sein, überlegte Hawkwood.
    Josiah Woodburn beschäftigte fünf Gesellen, von denen Isadore Knibbs der älteste war. Hinzu kamen zwei Lehrlinge, mehr waren laut Reglement der Uhrmacher-Zunft nicht erlaubt. Es gebe Wege, diese Regel zu umgehen, vertraute Mr. Knibbs Hawkwood an, während er ihn durch die fünf Räume der Werkstatt mit Blick auf einen Hof an der Ecke Red Lion Street und George Court führte. Aber dies sei für einen Josiah Woodburn, Uhrmachermeister von untadeligem Ruf, undenkbar.
    »Vierzig Jahre arbeite ich jetzt schon für Master Woodburn«, erzählte der Geselle stolz, »und für mich gibt es keinen besseren Menschen. Er lässt mich sogar meine eigenen Werke signieren. Das erlauben nicht viele Uhrmacher.«
    Eine seltene Ehre, tatsächlich. Uhrmachergesellen durften gewöhnlich weder selbstständig arbeiten noch ihre Stücke signieren, auch wenn der Meister bei der Fertigstellung des Instruments nie Hand angelegt hatte. In dieser Hinsicht war Josiah Woodburn wirklich ein außergewöhnlich großzügiger Arbeitgeber, für dessen Abwesenheit auch Mr. Knibbs keine logische Erklärung hatte. Der Geselle tappte wie die Hobbs im Dunkeln und war ebenso besorgt. Er bestätigte, dass Master Woodburn die Werkstatt zur gewohnten Zeit verlassen habe und seitdem von niemandem mehr gesehen worden sei. Ohne zu zögern willigte er ein, als Hawkwood ihn bat, die Werkstatt besichtigen und die Angestellten befragen zu dürfen.
    Das Haus sei in fünf Werkräume unterteilt, in denen die verschiedenen Arbeiten ausgeführt werden, erklärte Mr. Knibbs, als er Hawkwood durch die Tischlerei führte. Er wies auf eine Reihe leerer Gehäuse, die wie aufgestellte Särge an der Wand lehnten. Nur das beste Holz werde verwendet: Kiefer und honduranisches Mahagoni für das Gehäuse, Eiche für Vorderseite und Sockel, englisches Walnussholz für das Furnier. An einem Sägebock stand ein Schreiner knöcheltief in Sägemehl und Hobelspänen. In der Luft hing der Geruch von Leim und frisch gehobeltem Holz.
    Durch einen Bogen gelangten die beiden in den angrenzenden Werkraum. Auf mehreren Arbeitsbänken verstreut lagen die Innereien von Uhren, als wäre ein mechanisches Objekt ausgeweidet worden. An den Wänden hing ein kunterbunter Wirrwarr von grafischen Darstellungen und detailgetreuen Zeichnungen von Zahnrädern, Scheiben, Ringen und Perpendikeln.
    Nicht alle Uhrenteile würden in der eigenen Werkstatt hergestellt, vertraute Mr. Knibbs Hawkwood an. Fertigteile, wie Federn, Spandrillen, Scheiben und Uhrendeckel, wurden gekauft. Obwohl Uhrmacher auch Messing gießen und bearbeiten könnten, sei es bequemer, diese Artikel von einem Messinggießer zu kaufen. Natürlich könne man auch vorgefertigte Gehwerke einsetzen, erklärte Mr. Knibbs verächtlich, doch Master Woodburn gehöre zum Glück der alten Schule an. Er lege Wert darauf, dass alle Uhrenteile in seiner Werkstatt zusammengesetzt würden, um die Qualitätskontrolle des fertigen Werks zu garantieren.
    Bis auf die Tischlerei herrschte in allen Räumen Ruhe. Voll konzentriert saßen die Gesellen mit gesenkten Köpfen an ihren Werkstücken. Zwei Männer blickten kurz auf, als Hawkwood den Raum durchquerte. Die beiden Lehrlinge waren etwa dreizehn und vierzehn Jahre alt und erst seit ein paar Monaten in der Ausbildung.
    In der hintersten Ecke eines Raums kehrte ein pickeliger Junge Metallspäne auf ein Holzblech. Er war spindeldürr und sein teerfarbener Haarschopf sah aus, als hätte jemand

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