Der rauchblaue Fluss (German Edition)
kaiserlichen Verlautbarung, die im Klub jedes Mal unfehlbar Gelächter hervorrief: »Nachforschungen haben ergeben, dass die Fremden, werden ihnen über mehrere Tage Tee und Rhabarber aus China entzogen, von einer Trübung des Augenlichts sowie einer Obstipation des Darms befallen werden, in einem Ausmaß, das ihr Leben bedrohen kann … «
Als das Gelächter abgeebbt war, wischte sich Mr. Burnham die Augen und erklärte: »Es lässt sich nicht bestreiten: Lord Napier hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, als er sagte, die Chinesen seien eine Rasse, die sich durch ihre Geistesschwäche auszeichne.«
Mr. King, der sich schon eine Weile unbehaglich auf seinem Stuhl geregt hatte, fühlte sich aufgerufen zu protestieren: »Hören Sie, Sir, ich kann mir nicht vorstellen, dass Lord Napier eine so unbarmherzige Meinung geäußert haben soll – er war schließlich ein frommer Christ.«
»Darf ich Sie daran erinnern, Charles«, sagte Mr. Burnham, »dass Lord Napier auch Wissenschaftler war, und wenn er mit seinen Verstandeskräften zu einem unwiderlegbaren Ergebnis gelangte, war er nicht der Mann, damit hinter dem Berg zu halten.«
»Genau, Sir«, erwiderte Mr. King. »Lord Napier war nicht nur ein guter Christ, er war auch einer der bedeutendsten Vertreter der schottischen Aufklärung. Ich glaube nicht, dass er eine derartige Ansicht geäußert hätte.«
»Nun gut«, sagte Burnham. »Dann wetten wir.«
Sogleich ließ man sich das Wettbuch des Klubs bringen, und ein Einsatz von zehn Guineen wurde in die Spalten eingetragen. Dann wurde Lord Napiers Werk über seine Erlebnisse in China aus der Bibliothek geholt, und die fragliche Passage war rasch gefunden: »Es hat der Vorsehung gefallen, den Chinesen – einem durch ein unfassliches Ausmaß an Geistesschwäche, Habgier, Dünkel und Halsstarrigkeit gekennzeichneten Volk – den Besitz weiter Teile der angenehmsten Gegenden der Erde zu gewähren, mit einer Bevölkerung, die sich auf nahezu ein Drittel des gesamten Menschengeschlechts beläuft.«
Da der Wortlaut nicht genau Mr. Burnhams Version des Zitats entsprach, fiel es dem Präsidenten zu, über die Wette zu entscheiden. Er tat dies zugunsten von Mr. Burnham, der sich sodann große Anerkennung erwarb, indem er erklärte, er werde seinen Gewinn dem Reverend Parker’s Hospital spenden.
Doch obgleich der Abend heiter endete, beeinträchtigten die Gerüchte um die Ankunft des Kommissars die gewohnten Abläufe in der Kammer und schufen eine gespannte, von Furcht beherrschte Atmosphäre. Vor diesem Hintergrund gab Mr. Wetmore ein kleines Dinner, um dem scheidenden Präsidenten, Mr. Hugh Lindsay, für seine Dienste zu danken.
Der rotgesichtige, temperamentvolle Mr. Lindsay erschien den anderen während des Essens ungewöhnlich nachdenklich, und als er sich im Anschluss an die Dankesadressen erhob, um seine Abschiedsrede zu halten, wurde deutlich, was ihn umtrieb. »Dass der Opiumhandel«, sagte er, »bis dato Gewinnanreize bietet, die jedes Risiko gerechtfertigt erscheinen lassen, steht außer Frage. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die chinesischen Behörden den Handel bislang zugelassen oder, besser gesagt, stillschweigend geduldet haben. Ob dies auch künftig der Fall sein wird, darf jedoch bezweifelt werden. Was aber ist die Alternative? Entweder der Handel muss ganz aufgegeben werden, oder es muss ein Modus gefunden werden, ihn unabhängig von chinesischen Eingriffen zu betreiben. Seien wir ehrlich: Der erste Weg – den Opiumhandel aufzugeben – wird nicht beschritten werden, solange noch eine andere Möglichkeit besteht. Es gibt also ganz offenkundig nur eine Alternative: die Gründung einer Niederlassung unter britischer Hoheit vor der Küste Chinas .«
Bahram und viele andere im Raum bedachten diese Worte mit höflichem Applaus, doch im Grunde war Mr. Lindsays Vorschlag nicht neu, man hatte Ähnliches schon viele Male gehört. Die Vorteile eines Handelsstützpunkts vor der Küste lagen auf der Hand: Er würde es ausländischen Kaufleuten erlauben, Opium und andere Waren nach China einzuführen, ohne die chinesischen Behörden fürchten zu müssen, und er würde ihnen die Risiken und die Schmach ersparen, ihre Waren aufs Festland schaffen zu müssen – das würden einheimische Schmuggler übernehmen. Die Ehrbarkeit des Westens würde auf diese Weise gewahrt bleiben, und die Last der Verantwortung würde allein bei den Chinesen liegen.
Dagegen sprach nur, dass jeder eine andere Vorstellung davon zu
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