Der Rebell - Schattengrenzen #2

Kärtchen?«
    Schulterzuckend suchte Weißhaupt eine Registerkarte heraus und winkte.
    »Schau mal.« Der Kommissar zeigte ihm eine vergilbte Karte mit einer handschriftlichen Nummernkolonne, aber auch einem der gelben Label-Klebezettel.
    II 8/3/17 22: 20-(106)-0033-1763 IV-1 5/1/3-0041
    Nachdenklich runzelte er die Stirn.
    »Und, wirst du schlau daraus?«
    Ohne auf die Frage einzugehen, zog er Weißhaupt die Karte aus der Hand.
    »Noch nicht wirklich, aber einige Sachen dürften sich leicht erklären.«
    Zweifelnd hob Weißhaupt eine Braue. »Sicher?«
    »Was sind Sie denn für ein Detektiv?« Oliver zwinkerte.
    Offenbar kratzte der Kommentar nicht einmal an der Berufsehre Weißhaupts. Gelassen zuckte er mit den Schultern. »Gar keiner, ich bin Oberkommissar. Für Schnelldenker wende dich bitte an Sherlock.«
    »Ich werd’s mir merken.«
    Weißhaupt schob die Hände in die Hosentaschen.
    »In dem Schrank links sind alle Registerkarten mit einer römischen Eins am Anfang, auf der rechten Seite alle Zweier.«
    »Das teilt in die Regale rechts und links des Flures ein, denke ich.« Oliver drehte auf beiden Seiten die Räder auf.
    Bereitwillig nahm sich Weißhaupt der rechten Reihe an.
    »Römisch eins ist links.« Oliver sah ihn über die Schulter an. »Steht der Registerschrank dazu nicht rechts?«
    Der Kommissar nickte. »Und hier haben wir die Zwei, das steht also für links.«
    Er zog sein Portemonnaie aus der Gesäßtasche und zog einen Einkaufszettel heraus. Die weiße, unbeschriebene Seite drehte er nach oben. Aus der Brusttasche seines Holzfällerhemdes zückte er einen kleinen Kugelschreiber. Rasch machte er sich Notizen. »Bescheuertes System.«
    »Ich glaube, Walter wollte es auch nicht einfach gestalten, schon weil er elend misstrauisch ist.« Er wies nach oben. »Sieben Sicherheitsschlösser sprechen für sich.«
    Weißhaupt schob die Unterlippe vor. »Paranoid ist der alte Mann auf alle Fälle.«
    »Es passiert ja auch ehrlich gesagt genug in der Bude.«
    Wo steckte eigentlich Daniel? Er hatte sich ihnen nicht angeschlossen. Wartete er im Büro? Hatte er etwas Interessantes entdeckt?
    Weißhaupt schob sich an ihm vorbei. »Träumst du?«
    »Nein, ich frage mich nur, wo Daniel ist.«
    »Versuch mal hinter sein wirres Punkerhirn zu kommen. Der Kerl steht mit seinem Job immer auf der Kippe.«
    »Wirklich? Sieht es so schlimm aus?«
    Weißhaupt wiegte den Kopf. »Er wird von Irene Meinhard geschützt. Wenn er sie nicht hätte, würde er sicher nur noch zum Bürodienst verknackt werden.«
    »Warum macht sie das?«
    »Sie ist seine Tante und weiß um seine Fähigkeiten. Seine überdrehten Psychotalente haben schon oft geholfen. Ihn einzubüßen, wäre für die alte Meinhard sicher nicht gut. Aber er überspannt regelmäßig den Bogen und dehnt die Regeln über die Schmerzgrenze hinaus. Das hat ihm in seiner Abteilung wenig Freunde verschafft.«
    Betroffen wandte Oliver sich zur Treppe. »Ich wusste nicht, dass es so schlecht aussieht.«
    Armer Daniel. Er war für den Job nicht geschaffen. Seine rebellische, unkonventionelle Art machte ihm hierbei nur Probleme. Warum hatte er sich auch ausgerechnet diesen Beruf gewählt? Weil er ihn auf seine Art liebte. Daniel war ein gerechter Mensch, ein herzensgutes Geschöpf. Vielleicht lag darin die Triebfeder für ihn. Er dachte nicht oft nach, handelte immer aus dem Bauch heraus und nahm keine Rücksicht auf sich.
    Oliver schluckte. Allein der Gedanke an Daniels liebes, treues Wesen reichte, um ihm warme Schauder über seine Haut gleiten zu lassen.
    Mühsam drängte er das Gefühl zurück. Jetzt war nicht der Moment für verliebte Gedankensprünge und Euphorie. Die Arbeit wartete. Er straffte sich.
    Weißhaupt war unterdessen weitergegangen.
    »Acht steht für das achte Regal.« Er winkte. »Wie geht es weiter?«
    Oliver eilte sich, mit der Karte aufzuschließen.
    Tatsächlich klebte hier die Nummer acht fast unsichtbar im Innenrahmen des Schranks.
    »8/3/17. Das sind sicher Regalbrett und Fach.«
    »Wie bei IKEA.« Weißhaupt schnaubte. »Hier drüben steht eine der Stahlkassetten.«
    Vielleicht standen die exakten Label auf den Büchern in der Kiste.
    »Nehmen wir sie mal raus und sehen uns den Inhalt an.«
    Weißhaupt griff in das Regal und zog die Kiste nach vorn.
    Metall schabte auf Metall. Feine Staubflocken rieselten herab und verteilten sich auf seinen Handgelenken.
    »Gut schwer, das Zeug.«
    Oliver packte den erreichbaren Handgriff und zog ihn hoch. Das Ding