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Der Retuscheur

Der Retuscheur

Titel: Der Retuscheur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dimitri Stachow
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zumindest gleichmütig hingenommen hatten.
    Doch schien es mir etwas Unklares, Beunruhigendes, Rätselhaftes an sich zu haben, überhaupt alle, die dort arbeiteten, und auch jene, die um das Restaurant herumlungerten.
    Ja, herumlungerten!
    Ich stellte das türkische Kaffeegefäß auf den Herd, steckte mir eine Zigarette an und rief mir in Erinnerung, wie ich, vom Restaurantbesitzer begleitet, auf die Straße getreten war, in den warmen, sonnigen Tag.
     
    Ungeachtet der Szene, die Alina mir gemacht hatte, war meine Stimmung prächtig. Mein schwarzes Kuvert schwenkend, ging ich die Uferstraße entlang, der Restaurantbesitzer trug das gerahmte Foto. Alles war bestens, nur die beiden neben dem Restaurant Stehenden hatten mir nicht gefallen. Auf den ersten Blick Kerle, die sich ein Glas oder, wenn sie Glück hatten, eine Flasche verdienen wollten. Als sie den Restaurantbesitzer herauskommen sahen, traten sie ihre Kippen aus und nahmen eine abwartende Haltung ein.
    Der Restaurantbesitzer wehrte sie mit einer lässigen Handbewegung ab:
    »Es wird noch Arbeit geben, ja, ja. Gleich kommt ein Auto, das könnt ihr beladen.«
    Scheinbar eine ganz gewöhnliche Szene, doch als gehorchte ich einem herrischen »Guck mal, da!«, wandte ich mich leicht um und stellte, den Schritt verhaltend, fest, dass die Aufmerksamkeit der Kerle keineswegs dem Restaurantbesitzer galt. Beide sahen mich an mit einem Blick, der ganz und gar nicht typisch ist für Leute, die sich mit Gelegenheitsarbeit durchschlagen.
    Ich konnte es nicht erklären, doch blickten sie irgendwie verdächtig!
    Ja, verdächtig!
    »Ich beneide dich!«, hörte ich den Restaurantbesitzer sagen. »Du hast es nicht mit allem möglichen Volk zu tun. Hör mal, bring mir doch bei, wie man Flecken behebt! Ich habe eine gute Auffassungsgabe. Bring es mir bei, hm?«
    Ich machte die Wagentür auf und warf das Kuvert auf den Sitz.
    »Gut, bringe ich dir bei.« Ich bekam ihn langsam satt. »Gegen unbefristeten Kredit. Zu zweit.«
    Während dieser Kanariengelbe angestrengt überlegte, ob er solche Konditionen akzeptieren sollte oder nicht, bemerkte ich, über seine Schulter blickend, dass die Kerle zum Gesträuch hinübergegangen waren und mit jemandem sprachen, der sich dort versteckt hielt.
    »Einverstanden!«, antwortete der Restaurantbesitzer endlich. »Schlag ein!«
    Wir drückten einander die Hand, ich nahm ihm das gerahmte Foto ab, stellte es auf den Rücksitz und setzte mich ins Auto.
    »Wann wird es fertig sein, Meister?«, fragte er, zum Fenster herabgebeugt.
    »Wann?«, sagte ich langsam, ohne den Restaurantbesitzer anzusehen, da ich weiterhin die Kerle beobachtete. »Heute haben wir … Ich bringe es! In ein paar Tagen … Lass dann einen Tisch decken!«
    Ich startete den Motor, legte den Rückwärtsgang ein, wendete.
     
    Das Restaurant stand etwas abseits von den Wohnhäusern, in einem kleinen Park. Vor seiner feierlichen Eröffnung mit allem Drum und Dran war hier eine Pelmennaja gewesen – eine Imbissstube, in der Fleischpasteten angeboten wurden –, dann eine Diätschnellgaststätte, wieder eine Pelmennaja, die Kneipe »Blaue Donau« (die angegangenen Garnelen hatten nicht nur dem ganzen Viertel lange einen gewissen Hafengeruch verschafft, sondern waren auch zur Ursache des vorzeitigen Todes zahlreicher Katzen geworden) und der patriotische Militärklub »Junger Luftlandesoldat«. Der Grund für die Schließung aller Vorgängeretablissements – über die Geschichte des Restaurants hatte mir der redselige Rausschmeißer erzählt – waren entweder die beharrlichen Forderungen des Gesundheitsamts oder die überhandnehmenden Diebereien, und im Fall der Kneipe kam es dazu, nachdem eine Abordnung der Bewohner des Viertels dem letzten – in chronologischer wie in historischer Hinsicht – Sekretär des Parteikreiskomitees einen Besuch abgestattet hatte: Der Sekretär litt unter Magengeschwüren, trank nur Wodka und zeigte Verständnis dafür, dass die hier ja schließlich ansässigen Festlandbewohner es ablehnten, ständig den Geruch von Seehäfen in der Nase zu haben. Eine Ausnahme bildete der patriotische Militärklub. Das Haus war den jungen Luftlandesoldaten abgekauft worden, die man, um die Wogen zu glätten, in den Keller eines benachbarten Hauses umquartierte.
    Zur Straße ging es im Bogen um den Park herum. Als ich bei den Kerlen vorbeifuhr, versuchte ich den auszumachen, mit dem sie gesprochen hatten, aber er musste wohl meine Absicht erkannt und sich noch weiter

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