Der Ring
werden wir in den Stand gesetzt, die …“
Auf diese Weise, dachte er bei sich, war der beleibte alte Richter imstande, sich regelmäßig ein Bild von dem zu machen, was der Kulturkreis als normal ansah. Sterile, vorverpackte Brüste prunkten an einer Frau, die wahrscheinlich einen hysterischen Anfall bekommen hätte, wenn ein einziger Quadratzentimeter ihres natürlichen Rumpfes frei gewesen wäre. Männer, deren „unabhängige“ Mienen und „kreativer“ Geist durch ihre Kleidung hervorgehoben werden sollten: Mit einer Ausnahme waren das uniform düstere Umhänge. Und die Ausnahme war eine Uniform.
„… und fühlen Sie sich daher bitte nicht durch gewisse Routine-Fragen zu nahe getreten, die ich Ihnen von Gesetz wegen stellen muß. Sollte ein Angeklagter heute auf einer Geschworenen-Verhandlung bestehen, wären diese Klarstellungen von großer Bedeutung, da eine nicht korrekt eingesetzte Geschworenenbank das Verfahren ungültig machen würde.“
Er wandte sich der Frau mit dem Prunkbusen zu. „Geschworenen-Kandidatin Nummer eins, bitte nennen Sie Ihren Namen und Beruf.“
„Helia Johnson, Hausfrau“, erwiderte sie steif. Das erklärte manches – die wenigen Frauen, die es vorzogen, nicht zu arbeiten, hatten überreichlich Zeit. Wahrscheinlich brachte sie jeden Tag eine Stunde oder noch mehr damit zu, sich die Trivisions-Modeschauen anzusehen, und versuchte dann in der Abgeschiedenheit ihres wohleingerichteten Schlafzimmers, mit den Modellen der Lust-A.G. zu konkurrieren. „Weiß, weiblich, protestantischer Konfession, Mittelklasse, introvertierter Grundtyp.“
„Ich sehe, Sie haben schon einmal Geschworenendienste geleistet“, sagte Crater und lächelte pflichtschuldig. Er hätte alle diese Angaben mit einem Fingerdruck vom Polizei-Computer abrufen können, zog es aber vor, so weit möglich ohne mechanische Hilfen Gericht zu halten. „Das vereinfacht natürlich manches. War es an einem Strafgericht?“
„Zivilgericht, Euer Ehren.“
„Sie wissen, daß an diesem Strafgericht mehr als nur ein Überwiegen der Beweise erforderlich ist? Daß Sie jenseits jeden vernünftigen Zweifels von der Schuld des Angeklagten überzeugt sein müssen, um ihn schuldig zu sprechen?“
„Ich verstehe, Euer Ehren.“
„Gelten Ihre sexuellen Neigungen dem anderen Geschlecht?“
„Wie bitte?“
„Eine Reihe von Fällen, die vor dieses Gericht kommen, beinhaltet sittliche Delikte. Das übliche Vorgehen verlangt, daß …“
„Oh. Die Antwort lautet ja“, sagte sie mit einem Unterton des Widerwillens. Zweifellos hätte dazu ihr Ehemann ein Wort sagen können – ein beißendes Wort. Es kam den Leuten selten zu Bewußtsein, wieviel Zögern und Gesichtsausdruck über sie enthüllte.
„Haben Sie irgendeinen Vorbehalt gegen das Beringen, falls diese Frage auftauchen sollte? Würden Sie zögern, jemanden schuldig zu sprechen, wenn …“
„Ganz gewiß nicht, Euer Ehren!“
Nein – sie war sogar darauf erpicht, ein Beringungsurteil herbeizuführen. Sollten die Missetäter für ihre Lüsternheit nur tüchtig bezahlen!
Er wandte sich an den nächsten, einen älteren Herrn mit stilvollem weißem Toupet. „Kandidat Nummer zwei?“
„John Bindlestiff, Autohandel, zur Ruhe gesetzt“, sagte er etwas undeutlich. „Weiß, männlich, römisch-katholisch, Mittelklasse, extrovertierter Grundtyp, heterosexuell, und ich habe schon zweimal beim Strafgericht als Geschworener gedient. Ich bin für das Beringen.“
„Sind Ihre Geschworenen-Gremien angerufen worden?“
„Nein, Euer Ehren. Nur Wartedienst. Aber aller guten Dinge sind ja drei, nicht?“
„Vielleicht.“ Der Mann nahm offensichtlich an, daß sich der Richter an ihn erinnerte. Crater erinnerte sich nicht. Er wandte sich an den nächsten Kandidaten, eine Frau von unbestimmtem Alter in konservativer Kleidung. „Kandidatin Nummer drei?“
„Sara Seniger, eingetragene Prostituierte bei der Lust-A.G. Weiß, weiblich, protestantisch, Mittelklasse, introvertiert, heterosexuell.“
„Haben Sie schon Gerichtsdienst geleistet?“
„Nein, Euer Ehren.“
„Sind Sie für das Beringen?“
„Nein.“
„Handelt es sich um eine starke Ablehnung? Das heißt, würden Sie einen Schuldspruch nur aus diesem Grund verweigern, vorausgesetzt, daß es ein Beringungsverbrechen wäre?“
„Na ja, wenn er wirklich schuldig wäre, würde ich wohl auch für schuldig stimmen müssen. Ich wünschte nur, daß es eine bessere Strafe gäbe.“
„Miss Seniger, sollte ein
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