Der Ring an meiner Hand
sie bis zu den Schultern und wartete darauf, dass Rafaele die Hände nach ihr ausstreckte.
Doch er bewegte sich nicht, was ihre innere Anspannung nur noch vergrößerte. Schließlich wandte er den Kopf und sah sie aus den schönen braunen Augen ruhig an.
„Ich möchte einen Handel mit dir schließen, Emilia“, sagte er. „Küss mich, und ich werde heute Nacht nichts von dir verlangen.“
„Du lässt mich einfach schlafen?“, ihre Stimme klang vor Überraschung ganz schrill. „Im Austausch für einen Kuss?“
„Das habe ich gesagt.“
„Aber ich dachte, du willst …“ Nicht nur gedacht, sondern gewusst – in seiner Umarmung hatte sie die Zeichen seines Begehrens deutlich gespürt.
„Zweifellos wollte ich das.“ Seine Mundwinkel zuckten. „Aber ich bin nicht länger in der Stimmung, dich so zärtlich zu behandeln, wie ich es in Anbetracht deiner Unerfahrenheit sollte“, fügte er kühl hinzu. „Also verdiene ich vielleicht ein bisschen Dankbarkeit, wenn meine einzige Forderung in einem Kuss besteht. Akzeptierst du mein Angebot, Contessa?“
„Ich … ich glaube schon.“
„Bene.“ Er betrachtete sie mit hochgezogenen Augenbrauen. „Aber du wirst schon ein Stückchen näher kommen müssen, mia cara . Denn leider ist es unmöglich, mich aus dieser Entfernung zu küssen.“
Vorsichtig rückte sie auf ihn zu. Als sie neben ihm lag, streifte sie flüchtig und unbeholfen seine Lippen mit den ihren.
Eine prickelnde Stille trat ein, dann sagte er sanft: „Das entspricht vielleicht deiner Vorstellung von einem Kuss, Emilia, aber nicht meiner. Dort draußen gibt es genug Eis. In meinem Bett brauche ich nicht noch mehr davon.“
Sie versteifte sich, der unterschwellige Hohn in seinen Worten verletzte sie. „Es tut mir leid, wenn du nicht zufrieden bist …“
„Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Aber jetzt geht es nicht darum, meinen Grad an Zufriedenheit zu diskutieren. Im Moment wünsche ich nur, dass du dich … ein wenig mehr anstrengst.“
Er hob eine Hand und umfasste ihren Kopf, sodass sie sich ihm nicht mehr entziehen konnte. „Also küss mich noch einmal, cara mia “, lud er sie leise ein. „Küss mich wie damals, in jener lange vergangenen Nacht im Haus deines Vaters.“
„Aber da habe ich dich für jemand anders gehalten“, flüsterte sie.
„Wirklich, bella mia ?“, fragte Rafaele zynisch. „Ich habe mich oft gefragt, wie das möglich war. Aber wenn es dir die Sache erleichtert, darfst du es dir gern wieder vorstellen.“
Und als ihre Lippen sich dieses Mal berührten, erlaubte sie sich zu verweilen. Weil es ja das war, was Rafaele wollte, redete sie sich ein.
Plötzlich verkehrte er die Positionen, sodass nun sie auf dem Rücken lag und mit weit aufgerissenen Augen zu ihm aufsah.
Und dann küsste er sie. Zunächst bewegte sich sein Mund so langsam auf ihrem, dass es fast wehtat, dann gab er dem aufkeimenden Hunger nach und intensivierte den Kuss.
Bis sie kaum noch atmen konnte. Oder denken.
Oder warum sonst erwachte in ihr die Sehnsucht, den Kuss zu erwidern? Warum sonst wollte sie die Linien und Konturen seines Mundes so vollständig erforschen, wie er es bei ihr tat? Warum sonst, sollte sie – vielleicht – noch mehr wollen …
Doch dann, mit fast schockierender Plötzlichkeit, war es vorüber, und er rückte von ihr ab.
„Eine großartige Verbesserung“, meinte er so unpersönlich, dass Emily fast damit rechnete, er würde ihr gleich eine Note geben. Stattdessen streifte er mit einem Finger über ihre Wange. „Schlaf gut, cara . Ich wünsche dir süße Träume.“
Damit drehte er sich um und löschte die Lampe, was ihr den ungewollten, dafür aber nachdrücklichen Anblick seines muskulösen Rückens bescherte.
Auch Emily wandte sich ab, flüchtete geradezu auf die andere Seite des Bettes. Dort blieb sie angespannt und atemlos liegen und wartete darauf, dass sich ihr Herzschlag wieder normalisierte.
Ihre eigene Reaktion hatte sie bis ins Mark erschüttert. Sie schämte sich fürchterlich über ihre Schwäche. Gleichzeitig überraschte es sie, dass Rafaele sein Wort gehalten und keinen Vorteil aus ihrer Lage gezogen hatte.
Jene lange vergangene Nacht …
Immer wieder hörte sie die Worte in ihrem Kopf, zusammen mit der Andeutung, sie habe sehr wohl gewusst, dass es nicht Simon war, den sie küsste.
Aber das ist Unsinn, sagte sie sich. Es war dunkel, und ich konnte nicht klar denken, jung und nervös, wie ich war. Außerdem habe ich Simon erwartet.
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