Der Ring des Highlanders: Roman (German Edition)
»Nein, das war kein Schock. Es ist angeboren.« Libby bemerkte, dass Robbie sich voller Interesse vorbeugte, während Michael McBain sich zurücklehnte, mit Argwohn im Blick. Sie fand beide Reaktionen ungezogen, verkniff sich aber eine Bemerkung.
Als Libby über ihr Haar strich, fühlte sie eine Beule an der linken Stirnseite, so groß wie ein Gänseei. Ihr Kopf hämmerte, wenn sie die Beule berührte.
»Haben Sie noch andere Blessuren?«, fragte Michael mit einem Grinsen, das ihn eher teuflisch als engelhaft aussehen ließ. »Ich sah, dass Sie eine Schwellung am Knie haben«, sagte er und sah auf die Stelle, wo ihre nasse Hose sich über einer unübsehbaren Schwellung spannte.
Ihr Knie fühlte sich geschwollen an und schmerzte, als sie versuchte, es zu beugen. Sie musste gegen das Armaturenbrett geprallt sein, als ihr Wagen ins Wasser fiel. Auch die linke Schulter und ihr Brustkorb hatten Prellungen abbekommen – vermutlich vom Sicherheitsgurt. Aber bis auf ein paar Beulen und dröhnende Kopfschmerzen fühlte sie sich relativ intakt.
»War ich lange ohnmächtig?« Sie musste mit einer Gehirnerschütterung rechnen.
»Zehn Minuten etwa«, sagte Michael.
Libby zwang sich, ihren Retter anzusehen. »Vielen Dank, dass Sie mich aus dem Teich gezogen haben«, murmelte sie matt. Da er sich dabei verdammt lange Zeit gelassen hatte, fiel ihr Lächeln nicht sehr herzlich aus. »Wie gut, dass Sie sich entschlossen haben, mich herauszuziehen, als Ihnen endlich klar wurde, dass ich nicht mehr wachsen würde.«
Michael stand auf. »Und jetzt muss ich Ihren Wagen herausziehen.« Er bedachte sie mit einem ebenso sparsamen Lächeln. »Und nachsehen, was von meinen Christbäumen übrig ist.«
Er beugte sich vor, legte eine Hand auf die Lehne der Couch und kam ihr mit seinem Gesicht unbehaglich nahe. »Ihr kleiner Unfall hat mich den ersten Platz bei der Ausstellung im kommenden Jahr gekostet, Lady«, flüsterte er. »Und ich habe nicht die Absicht, das einfach so hinzunehmen.«
Mit dieser Warnung – oder Drohung – richtete Michael McBain sich auf und ging hinaus. Sofort rutschte Robbie auf dem Kaffeetisch weiter, bis er neben ihr saß. Er ergriff ihren Arm.
»Keine Panik, Libby. Papa brummt gern, er meint es aber nicht so.« Plötzlich grinste er und streckte ihr seine Hand entgegen. »Hi. Ich bin Robbie McBain.«
Libby nahm das Angebot an. »Nett, dich endlich kennen zu lernen, Robbie McBain«, sagte sie und schüttelte seine Hand, wobei sie geflissentlich übersah, dass diese fast so groß war wie ihre. Und dass sie höchstens zwanzig Pfund mehr als der Junge wog.
Sie konnte sein Alter nicht abschätzen. Er wirkte irgendwie älter, als Sprache und Gesten vermuten ließen, und er war von einer Aura der Unschuld und des Eifers umgeben. Nannten elf- oder zwölfjährige Jungen ihre Väter noch Papa?
»Wie alt bist du, Robbie?«
Der Junge wölbte seine Brust. »Acht. Aber im Januar werde ich neun.«
Libby glaubte ihm nicht. Er war fast so groß wie sie. Und seine Augen ließen trotz der Unschuld, die sie darin las, auf eine Weisheit schließen, die man sonst nur bei Erwachsenen antraf.
»Bist du sicher?«, fragte sie nach.
Er sah sie mit gerunzelter Stirn an. »Natürlich bin ich sicher«, sagte er, als wäre sie schwer von Begriff. »Ich kam im Jahr des Eissturms auf die Welt.«
Libby, die von keinem Eissturm gehört hatte, nickte zustimmend. Es war möglich, dass der Junge nur groß für sein Alter war, zumal wenn sie die Größe seines Vaters in Betracht zog. Michael McBain musste über einsneunzig sein.
Libby war mit Absätzen gerade mal einssiebenundfünfzig.
Sie konnte noch immer nicht glauben, dass sie den Mann im Teich attackiert hatte. Es musste sich um vorübergehende, durch ihre Angst vor dem Ertrinken ausgelöste Idiotie gehandelt haben. Oder vielleicht hatte das kalte Wasser ihr Gehirn eingefroren.
»Ach, Robbie … hättest du etwas Trockenes zum Anziehen für mich?«
Er überlegte. »Gram Ellens Sachen sind noch da, aber die sollten Sie nicht anziehen. Grampy könnte sich aufregen, wenn er Sie darin sieht.«
»Grampy?«
Robbie nickte. »Grampy John. Er ist nicht wirklich mein Großvater, aber er hat es gern, wenn ich ihn so nenne. Er wohnt nicht hier, sondern bei mir und Papa, weil ihm die Farm gehörte. Er hat sie Papa verkauft, ehe ich geboren wurde.«
»Und deine Gram Ellen? Wo ist sie?«
»Tot«, sagte er und senkte den Blick. »Papa und Paul haben sie vor zwei Monaten auf dem Friedhof
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