Der Ring des Highlanders: Roman (German Edition)
Deutlicher war der alte Priester nicht geworden, obwohl Michael ein- oder zweimal das von ihm gemurmelte Wort Beschützer gehört hatte. Auf sein Drängen hin aber hatte Daar sich geweigert, mehr zu sagen, und nur erklärt, mit der Zeit würde sich alles weisen.
Nun, es war Zeit.
»Bist du eingeschnappt, weil ich mit Mary rede?«, fragte Robbie und schaute Michael mit den empfindsamen Augen eines Jungen an, der seine Mutter sehr braucht.
»Nein. Mich freut, dass du dich mit Mary so angefreundet hast. Und Libby hat es auch geschafft. Mary hat sich heute auf ihrem Arm niedergelassen.«
Robbie war sprachlos. »Wirklich?«, fragte er erstaunt. »Zu dir wollte Mary wohl nicht.« Er grinste zufrieden. »Das heißt, dass sie Libby mag.«
»Und mich nicht?«
»Aber nein, Papa.« Robbie stieß ihm mit der Zahnbürste in die Schulter. »Mary hat Angst, in deine Nähe zu kommen, weil du sie vielleicht für immer behalten könntest.«
Teufel nochmal. Kindermund. Über eine Woche lang hatte Michael sich gesorgt, weil die Schneeeule nicht zu ihm kommen wollte. Der Vogel, den sein Sohn Mary nannte, hatte ihn praktisch ignoriert.
Und jetzt war ihm der Grund klar.
Sie wollte ihn zum Loslassen zwingen. Sie blieb auf Distanz, um ihn freizugeben. Und heute, auf dem TarStone, hatte sie Libby Hart im Leben ihres Sohnes akzeptiert.
Aber akzeptierte sie Libby in seinem Leben?
Mary war absichtlich erschienen, sehr wahrscheinlich, weil Michael mit Libby zusammen war. Sie wollte, dass er sah, wie sie miteinander umgingen. Er sollte auch wissen, dass die Frau, die den Familiensitz gemietet hatte, ihre Zustimmung fand.
Er verstand es, weil er es sich in den zwölf Jahren, seitdem er durch die Jahrhunderte gewirbelt worden war, zur Aufgabe gemacht hatte, alle Seiten der ihn umgebenden Welt zu begreifen – die sichtbaren und die unsichtbaren. Er hatte gelernt, Bewusstsein und Herz der Existenz von Wundern gegenüber zu öffnen.
Mittlerweile konnte ihn nichts mehr überraschen.
Nicht einmal ein Sohn, der sagte, er hätte mit einer Eule gesprochen.
Michael umarmte Robbie fest. »Putz dir die Zähne, und dann ab ins Bett, junger Mann. Ich wecke dich um fünf, damit du an deinen Überraschungen arbeiten kannst. Grampy John wird sicher schon vor dir im Schuppen sein.«
»Gestern hat er sich in den Daumen geschnitten«, gestand Robbie, als wäre es irgendwie seine Schuld. »Ich habe ihn verbunden«, setzte er wie zur Verteidigung hinzu.
Michael schob die Zahnbürste auf Robbies Mund zu. »John braucht eine stärkere Brille. Gut, dass du zur Stelle warst und ihn verbinden konntest.«
Befriedigt, dass erledigt war, was er sich für diesen Abend vorgenommen hatte – Michael zu überreden, das Kistchen zu Libby zu bringen, und sein junges Gewissen zu erleichtern, weil er mit einer Eule gesprochen hatte – war Robbie nun bettreif. Er putzte sich die Zähne, zog sich nackt aus, lief in sein Zimmer und verkroch sich unter der Decke.
»Tante Grace hat mir wieder einen Schlafanzug gekauft«, sagte der Junge, wobei das vorletzte Wort vor Widerwillen nur so troff. »Sie hat sich vorgenommen, mich zu zivilisieren. Kannst du nichts dagegen unternehmen, Papa?«
Michael beugte sich über den Jungen und gab ihm einen Gutenachtkuss. »Um sie an etwas zu hindern, bedürfte es eines göttlichen Gebotes.«
»Dann werde ich heute darum beten, dass Tante Grace mir keine Schlafanzüge mehr kauft.«
Michael ging zur Tür und drehte das Licht ab, blieb aber im Flur stehen und nickte. »Ja, schließ mich in deine Gebete mit ein. Ich habe sechs von diesen Pyjamas im Schrank.«
Michael ließ das Licht im Flur brennen, ging die Treppe hinunter und betrat wieder die Bibliothek. Er setzte sich nicht, blieb in der Mitte stehen und starrte das Kästchen mit der darauf liegenden Nachricht an.
Er ging hin und griff nach dem Umschlag. Nun erst sah er, dass dieser verschlossen war. Da er Robbie die Überraschung nicht verderben wollte und hoffte, Libby würde ähnlich denken, nahm Michael das Kästchen, hielt es hoch, stand da und starrte es an.
Er legte Kästchen und Brief zurück auf den Schemel und setzte sich in seinen Sessel. Dann griff er nach seinem Buch, öffnete es beim Lesezeichen und bemerkte erst nach zwei Minuten, dass er das verdammte Buch verkehrt herum in der Hand hielt. Er warf es auf den Boden und starrte das Kästchen an.
»Ach, zur Hölle«, knurrte er den leeren Raum an. Er nahm Kästchen und Brief und ging in die Küche.
»Ich muss noch
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