Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Titel: Der Rote Krieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miles Cameron
Vom Netzwerk:
bemerkte, dass der Bürgermeister ein kostbares Wams aus dunkelblauem Samt mit Zobelbesatz trug und dazu eine passende Kappe, die mit Irks und Hasen bestickt war. Er lächelte. Sein eigenes Seidenwams war etwa fünfzigmal so viel wert.
    Die Irks auf der Kappe des Bürgermeisters entbehrten nicht einer gewissen Ironie.
    »Das ist Ser Alcaeus«, sagte Ser John, »der Botschafter des Kaisers bei unserem König. Gestern wurde sein Zug von Hunderten Kreaturen der Wildnis angegriffen.«
    Der Bürgermeister warf ihm einen giftigen Blick zu. »Wie schön. Macht endlich Eure Arbeit, verfluchter Söldner! Stört es Euch denn gar nicht, dass sich die Tochter dieses Mannes in der Gewalt von Ungeheuern befindet, während Ihr hier sitzt und Wein sauft?«
    Der Mann, der zusammen mit einem Dutzend anderer Männer hinter dem Bürgermeister stand, schluchzte, sank auf eine Holzbank und steckte sich vor Verzweiflung die Faust in den Mund.
    »Seine Tochter ist schon seit gestern tot, und ich will das Leben meiner Männer nicht für die Bergung ihres Leichnams riskieren«, gab Ser John mit nachlässiger Brutalität zurück. »Ich will, dass alle Frauen und Kinder sofort in die Burg verbracht und mit genügend Nahrungsmitteln ausgestattet werden.«
    »Das verbiete ich«, spuckte der Bürgermeister aus. »Wollt Ihr in der Stadt eine Panik auslösen?«
    Ser John zuckte mit den Achseln. »Ja«, sagte er dann. »Meiner maßgeblichen Meinung nach …«
    »Ihr habt keine maßgebliche Meinung! Vor vierzig Jahren seid Ihr nichts anderes als ein billiger Söldner gewesen. Und dann wurdet Ihr zum Saufkumpan des Königs. Da steht Euch eine Meinung überhaupt nicht zu!« Der Bürgermeister war außer sich vor Wut.
    Alcaeus begriff, dass der Mann Angst hatte. Er war entsetzt. Und dieses Entsetzen machte ihn streitlustig. Für Alcaeus war das eine Offenbarung. Mit seinen neunundzwanzig Jahren war er eigentlich kein junger Mann mehr, und er hatte geglaubt, er wisse, wie die Welt funktioniere.
    Der gestrige Tag war ein Schock für ihn gewesen. Und der heutige war es ebenfalls. Er betrachtete den närrischen Bürgermeister und beobachtete Ser John, und plötzlich begriff er sie beide.
    »Messire Bürgermeister?«, fragte er in seinem gestelzten Gotisch. »Bitte. Ich bin hier ein Fremder. Aber die Wildnis ist wirklich. Was ich gesehen habe, ist wirklich.«
    Der Bürgermeister drehte sich um und sah ihn an. »Wer in Gottes Namen seid Ihr?«, fragte er.
    »Alcaeus Comnena, Vetter des Kaisers Manual, möge sein Name gepriesen sein, des gezogenen Schwertes Christi, des Kriegers der Morgendämmerung.« Alcaeus verbeugte sich. Sein Vetter war schon zu alt, um noch ein Schwert ziehen zu können, doch seine Titel kamen Alcaeus mit großer Leichtigkeit über die Lippen, und er ärgerte sich sehr über den Bürgermeister.
    Trotz seiner Streitlust und seines Entsetzens war der Bürgermeister ein gebildeter Kaufmann. »Aus Morea?«, fragte er.
    Alcaeus überlegte, ob er diesem Barbaren sagen sollte, was er von dem nachlässigen Gebrauch des Namens Morea für das Kaiserreich hielt. Aber er machte sich nicht die Mühe. »Ja«, antwortete er nur knapp.
    Der Bürgermeister holte tief Luft. »Wenn Ihr ein wahrer Ritter seid, werdet Ihr ausziehen und die Tochter dieses Mannes retten.«
    Alcaeus schüttelte den Kopf. »Nein. Ser John hat recht. Ihr müsst die Bauern von den weiter entfernten Gehöften herbeirufen und die Leute auf die Burg bringen.«
    Der Bürgermeister schüttelte die Faust. »Die Karawanen kommen! Wenn wir jetzt die Tore schließen, wird diese Stadt sterben! « Er hielt kurz inne. »Bei der Liebe Gottes, hier geht es um sehr viel Geld! «
    Ser John zuckte mit den Schultern. »Ich hoffe, das Geld wird Euch helfen, wenn die Kobolde kommen.«
    Wie auf ein Stichwort hin ertönte plötzlich die Alarmglocke.
    Nachdem der Bürgermeister ins Freie gestürmt war, stieg Alcaeus auf die Mauer und sah, dass bereits zwei weiter entfernt liegende Gehöfte brannten. Ser John gesellte sich zu ihm. »Ich habe ihm schon gestern Abend gesagt, er soll die Leute von dort draußen herbringen«, murmelte er. »Verdammter Idiot. Aber vielen Dank für den Versuch.«
    Alcaeus sah zu, wie die Rauchwolken aufstiegen, während es in seinem Magen flatterte. Plötzlich sah er wieder diese Irks unter seinem Pferd. Er hatte einmal ganz allein vier Attentäter besiegt, die es auf seine Mutter abgesehen hatten. Doch Irks waren viel, viel schlimmer. Er schmeckte Galle.
    Und dachte daran,

Weitere Kostenlose Bücher