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Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Titel: Der Rote Krieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miles Cameron
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sich einfach zu Bett zu legen.
    Doch stattdessen trank er Wein. Nach einem Becher fühlte er sich stark genug, seinen Pagen zu besuchen, der sich von den vergangenen Schrecken auf die Art erholte, wie sie für widerstandsfähige junge Menschen üblich war. Also ließ er den Pagen in der Umarmung eines Dienstmädchens zurück und ging müde zum Wächterraum weiter, wo ein angestochenes Weinfass stand.
    Er war gerade beim vierten Becher angekommen, als sich Ser Johns Faust um sein Handgelenk schloss. »Ich nehme an, Ihr seid ein ausgewiesener Ritter«, sagte er. »Ich habe Euer Schwert gesehen und nehme an, Ihr wisst es zu gebrauchen, nicht wahr?«
    Ser Alcaeus erhob sich von seinem Stuhl. »Ihr habt es gewagt, mein Schwert zu ziehen?«, fragte er. Am Hof des Kaisers war es eine grobe Beleidigung, das Schwert eines anderen Mannes zu berühren.
    Der alte Mann grinste freudlos. »Hört mir zu, Messire. Diese Stadt wird bald angegriffen. Ich hatte nie geglaubt, so etwas noch zu meinen Lebzeiten zu erleben. Ich verstehe ja, dass Ihr gestern einen sehr schlechten Tag hattet. Gut. Aber jetzt müsst Ihr aufhören, meinen Weinvorrat leerzutrinken. Legt Eure Rüstung an. Wenn ich mich nicht sehr irre, werden sie in etwa einer Stunde die Stadtmauern angreifen.« Er sah sich in dem leeren Wächterraum um. »Wenn wir wie verdammte Helden kämpfen und jeder Mann sein Bestes gibt, könnten wir es schaffen. Ich werde versuchen, diesen Narren doch noch dazu zu bringen, alle Frauen in die Burg zu schaffen. Das da draußen ist die Wildnis, Ser Ritter. Ich nehme an, Ihr habt gestern einen Vorgeschmack von ihr bekommen. Nun – hier ist sie wieder.«
    Dabei wollte Ser Alcaeus doch bloß ein nützlicher Würdenträger am Hofe seines Onkels sein. Er fragte sich, ob er angesichts der Botschaft in seiner Tasche nicht die Pflicht hatte, seinen Pagen zu nehmen und nach Süden zu reiten, bevor die Straßen geschlossen wurden.
    Aber an diesem alten Mann war etwas Besonderes. Außerdem war Alcaeus schon am Tag zuvor wie ein Feigling weggelaufen, auch wenn das Blut von dreien dieser Wesen an seinem Schwert klebte.
    »Ich werde mich bewaffnen«, sagte er.
    »Gut«, freute sich Ser John. »Ich werde Euch dabei helfen, und dann gebe ich Euch das Kommando über einen Abschnitt der Mauer.«
    Abbington am Carak · Die Näherin Meg
    Die alte Näherin Meg saß im guten, warmen Sonnenschein auf ihrer Türschwelle und hatte den Rücken gegen das Eichenholz des Rahmens gelehnt, wie sie es schon seit fast vierzig Jahren an solchen Morgen tat. Sie saß bloß da und nähte.
    Meg war keine stolze Frau, aber sie hatte eine gewisse Stellung inne, und dies wusste sie auch. Frauen kamen zu ihr und fragten sie wegen Geburten und Geldangelegenheiten um Rat, beklagten sich bei ihr über ihre trinkenden Ehemänner und wollten manchmal wissen, ob sie in gewissen Nächten einen bestimmten Mann hereinlassen sollten – oder lieber doch nicht. Meg wusste vieles.
    Vor allem aber wusste sie, wie man zu nähen hatte.
    Sie arbeitete gern in der Frühe, wenn das erste volle Licht der Sonne auf ihre Handarbeiten fiel. Die beste Zeit war kurz nach der Morgenmesse, falls es ihr gelang, sich sofort an die Arbeit zu machen. Seit vierzig Jahren war sie eine Laienschwester, half beim Gottesdienst in ihrer Dorfkirche und hatte sich in dieser Zeit auch um ihren Mann und ihre beiden Kinder kümmern müssen, und so hatte sie die guten frühen Morgenstunden oft verpasst.
    Aber wenn sie in dieser Zeit arbeiten konnte – wenn das Kochen, der Altardienst, die kranken Kinder, die Schmerzen und der Wille des Allmächtigen es zuließen –, konnte sie das Werk eines ganzen Tages bereits vollendet haben, wenn die Glocken im Festungskonvent zwei Meilen weiter westlich zur Non riefen.
    Und heute war einer dieser wunderbaren Morgen. Sie hatte bei der Messe in der Kirche gedient, was ihr immer ein besonderes Gefühl verschaffte. Sie hatte Blumen auf das Grab ihres Mannes gelegt, hatte ihrer Tochter vor deren eigener Tür einen Kuss gegeben und saß nun im ersten warmen Licht vor ihrem Haus, während ihr Korb neben ihr stand.
    Gerade nähte sie eine feine Leinenkappe von der Art, wie sie ein Edelmann trug, damit seine Haare ordentlich blieben. Es war keine schwierige Aufgabe und würde sie nur einen oder zwei Tage in Anspruch nehmen, doch es befanden sich etliche Ritter oben auf der Feste, die viele solcher Kappen brauchten, wie sie wohl wusste. Eine gut gearbeitete Kappe, die hervorragend saß, war

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