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Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Der Rote Krieger: Roman (German Edition)

Titel: Der Rote Krieger: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miles Cameron
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auch nur Menschliches zu denken, das nicht aus der Furcht geboren war und ihn nicht als Sklaven dieser Kreatur sterben ließ.
    Aber er vermochte es nicht.
    Halt durch, sagte Harmodius.
    Du forderst mich heraus?
    Der Rote Ritter drückte das Rückgrat durch, richtete sich so hoch wie möglich auf und sagte: »Meine Mutter hat aus mir die größte Macht der gesamten Wildnis gemacht.« Er atmete noch einmal tief ein – und sprach den nächsten Satz wie einen Schwerthieb. »Du bist doch bloß ein emporgekommener Kaufmannssohn, der versucht, die Verhaltensweisen der ihm Überlegenen nachzuahmen.«
    Er befahl den Kobolden: Tötet Thorn! Und die Masse richtete die Waffen gegen ihren früheren Herrn.
    Sie alle trafen, aber keiner von ihnen vermochte die glimmernde grüne Panzerung zu durchdringen. Er schloss die eine knorrige Faust.
    Kobolde starben.
    Die Wut des Zauberers war gedankenlos, nachdem Beleidigung über Beleidigung auf ihn getürmt worden war. Thorn brüllte: Du bist gar nichts! Schneller als der Hauptmann parieren oder auch nur reagieren konnte, schlug Thorns Faust zu und warf ihn erneut zu Boden, doch diesmal spürte er, wie Knochen in ihm brachen. War es das Schlüsselbein? Auf alle Fälle waren es die Rippen.
    Plötzlich befand er sich in seinem Palast. Prudentia stand dort mit einem hübschen jungen Mann in schwarzem Samt, bestickt mit Sternen. So groß war seine Angst und Verwirrung, dass es einige Herzschläge dauerte, bis er erkannte, dass der Fremde Harmodius war.
    Aber er konnte den Palast in seinem Geist nicht erhalten. Er hatte zu viel Angst, und als Harmodius den Mund öffnete, lag er wieder auf dem Rücken, und die Schmerzen waren beträchtlich. Vermutlich hatte ihn seine Rüstung vor dem Tod bewahrt. Nicht aber vor den Schmerzen.
    Das war ein Witz.
    Er spannte seine Bauchmuskeln an, um sich herumzurollen und wieder auf die Beine zu kommen.
    Da war Thorn.
    Warum bist du noch nicht tot?, fragte Thorn.
    »Gute Rüstung«, sagte der Rote Ritter.
    Ah! Ich kann deine Macht sehen. Ich werde sie für mich selbst nehmen. An dich ist sie verschwendet. Wer bist du? Du bist nicht anders als ich.
    »Ich habe eine andere Wahl getroffen«, antwortete der Hauptmann. Das Atmen fiel ihm schwer, doch jetzt erfüllte ihn Stolz. Er hielt stand .
    Thorn wirkte einen Zauber – hell wie ein Sommertag und schnell wie ein Blitz.
    Der Rote Ritter parierte und lenkte ihn mit einem Blitz aus silbrigem Weiß in den Boden.
    Jetzt verstehe ich. Du wurdest erschaffen. Du wurdest gebaut. Ah! Faszinierend. Du bist doch keine hässliche Spottgeburt, dunkle Sonne. Du bist ein gescheiter Hybrid.
    »Der von Gott verflucht ist. Und der von allen rechtschaffen denkenden Menschen gehasst wird.« Der Hauptmann zog Kraft aus der reinen Verzweiflung. Da ihm nichts anderes mehr blieb, wollte er wenigstens seine Angst besiegen, so wie er sie schon tausendmal besiegt hatte.
    Die Zeit der Menschen ist vorbei. Siehst du es nicht? Die Menschen haben versagt. Die Wildnis wird die Menschen zerschmettern, das Rehkitz und das Bärenjunge werden ihre Mütter fragen, wer die Steinstraßen gebaut hat, und die Fee wird um ihre verlorenen Spielzeuge weinen. Schon jetzt sind die Menschen nur noch ein schwacher Schatten dessen, was sie einmal ausmachte.
    Doch du bist kaum ein Mensch zu nennen. Warum klammerst du dich an sie?
    Das Atmen mochte ihm schwerfallen, aber er wurde allmählich ruhiger. Und Ruhe bedeutete die Beherrschung des Ätherischen.
    Hoffnung erzeugte jedoch bloß weitere Angst. Aber Angst war der Ozean, in dem er schwamm, und er griff in die Angst hinein – er nutzte sie.
    Er war wieder im Palast seiner Erinnerung, griff nach Amicia, die seine Hand packte und ebenso die von Harmodius, die der Äbtissin und die von Miram. Und die von Meg. Und die jeder überlebenden Nonne, die in der Kapelle sang.
    Er beherrschte seine eigenen Gedanken.
    Und wob sein bevorzugtes Phantasma.
    »Heilige Barbara, Despoina Athena, Herakleitus«, sagte er und deutete auf jede der jeweiligen Statuen, während er die Namen aussprach. Der große Raum drehte sich.
    Prudentia streckte ihm von ihrer Säule aus die Hand entgegen und ergriff seine Schulter. Sie lächelte ihn an. Es war ein trauriges Lächeln. Dann packte sie auch seine freie Hand. »Lebe wohl, mein guter Junge. Ich hatte dir noch so vieles zu sagen. O Philae pais …«
    Er wurde mit Macht durchflutet – Macht wie Schmerz, wenn er jenseits aller möglichen Lüste aufsteigt – wie Sieg. Wie Niederlage,

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