Der Rote Krieger: Roman (German Edition)
unverbindlich.
Der Hauptmann zog eine Grimasse. »Er ist ein Wildbube, nicht wahr? Der Bogen, die Blattbrosche … Ich kenne die Lieder.« Er schüttelte den Kopf über den Jäger. »Ich weiß durchaus, dass es Menschen gibt, die gern die Burgen niederbrennen möchten. Wäre ich als Leibeigener geboren worden, ich wäre vielleicht auch mit einer Mistgabel da draußen … Aber Wildbuben? Männer, die sich entschlossen haben, für die Wildnis zu kämpfen? Wer unterstützt sie? Wie rekrutieren sie? Das ergibt doch alles keinen Sinn.« Er zuckte mit den Schultern. »Um ehrlich zu sein, ich bin immer der Meinung gewesen, dass die Wildbuben von den Lords erfunden wurden, um ihre eigenen Scheußlichkeiten zu rechtfertigen. Da zeigt sich, wohin einen jugendlicher Zynismus führen kann.«
Gelfred hob die Schultern. »Gerüchte gibt es immer.« Er wandte den Blick von dem Hauptmann ab.
»Du bist doch kein versteckter Rebell, Gelfred?« Der Hauptmann zwang ihn, ihm in die Augen zu sehen.
Gelfred zuckte wieder die Achseln. »Macht es mich zum Verräter, wenn ich manchmal sage, dass dieses ganze kranke Gefüge, das diese Welt ausmacht, mich zum Töten reizt?« Er senkte den Blick, und der Zorn verließ ihn. »Ich bin zwar keiner. Aber ich verstehe die Gesetzlosen und die Hinterwaller.«
Der Hauptmann lächelte. »Wenigstens etwas haben du und ich gemeinsam.« Er drehte den steif gefrorenen Leichnam um und benutzte das scharfe Messer des Toten dazu, dessen Hose am Hintern aufzuschneiden. Sie war steif vor gefrorenem Blut, ebenso wie die Unterhose, die er ebenfalls aufschlitzte. Beide Stücke nahm er an sich. Er holte einen Beutel aus dem schweren Ledersack, der hinter dem Sattel steckte, und füllte ihn mit den Habseligkeiten des Toten.
Die Börse warf er Gelfred zu. »Damit kaufen wir uns ein paar Hunde«, sagte er.
In nacktem Zustand sah der tote Mann wie ein Soldat aus der Armee des Teufels aus. Bei diesem Gedanken schürzte der Hauptmann die Lippen. Er beugte sich über den Leichnam, der genauso weiß war wie der Schnee um ihn herum, und rollte ihn wieder auf den Rücken.
Eine weitere Wunde klaffte unter dem Arm, ging bis ins Herz und war durch eine schmale Klinge zugefügt worden. Der Hauptmann betrachtete sie lange und ausgiebig.
»Sein Mörder ist zurückgekommen. Er war so voller Panik, dass er gar nicht bemerkt hat, dass sein Opfer schon tot war.«
»Schon tot?«, fragte Gelfred.
»Hier ist nicht viel Blut. Sieh dir sein Wams an. Hier, da ist der Einstich – und dort ist das Blut. Aber es ist sehr wenig.« Der Hauptmann hockte sich auf die Absätze seiner Stiefel. »Das ist rätselhaft. Was siehst du, Gelfred?«
»Seine Ausrüstung ist besser als unsere«, sagte Gelfred.
»Satan zahlt gut«, meinte der Hauptmann. »Oder er zahlt rechtzeitig.« Er sah sich um. »Aber deswegen sind wir nicht hier. Wir sollten zurück zum Pfad gehen und nach dem Ungeheuer Ausschau halten.« Er hielt inne. »Gelfred, wie gelingt es dir, mit Hexenholz magische Dinge zu tun?«
Gelfred entfernte sich einige Schritte. »Ich habe gehört, dass es unmöglich sei«, sagte er, »aber das ist es nicht. Es scheint mir wie beim Ausmisten eines Stalls zu sein. Man muss bloß darauf achten, dass man keinen Dung abbekommt.«
Der Hauptmann sah seinen Jagdmeister mit neuer Hochachtung an. Ihre Beziehung war in den Wochen, seit ihn der Hauptmann angeheuert hatte, durch den stetigen Streit über religiöse Dinge bestimmt gewesen.
»Du bist mächtig«, sagte der Hauptmann.
Gelfred schüttelte den Kopf und behielt die Bäume im Blick. »Ich spüre, dass wir ein Gleichgewicht gestört haben«, erklärte er und ging gar nicht erst auf das Lob ein.
Der Hauptmann führte sein Pferd zu einem umgestürzten Baum. Gern wäre er in den Sattel gesprungen, doch jedes Glied tat ihm weh, und auch sein Hals schmerzte noch an der Stelle, wo ihn der Lindwurm versucht hatte zu brechen. Also benutzte er den Baumstamm zum Aufsteigen.
»Ein Grund mehr, um in Bewegung zu bleiben«, sagte er. »Wir jagen keine Wildbuben, Gelfred. Wir sind die Lindwurmtöter.«
Gelfred zuckte mit den Schultern. »Mylord«, setzte er an, doch dann wandte er den Blick ab. »Ihr habt ebenfalls die Macht, oder?«
Der Hauptmann spürte, wie ihm ein kleiner Schauer über den Rücken lief. Weglaufen? Verstecken? Lügen?
»Ja«, gestand er. »Ein wenig.«
»Hm«, meinte Gelfred nichtssagend. »Aha. Jetzt habe ich den … den Waldbuben ausgesondert und kann mich auf die andere Kreatur
Weitere Kostenlose Bücher