Der Rote Mond Von Kaikoura
sein Vater schon auf den Beinen. Henare atmete tief durch und trat dann ein.
»Ist es gestattet?«, fragte er, während er den Blick auf die Gestalt seines Vaters richtete, der eine Decke um die Schultern gewickelt hatte. Sein Gesicht glänzte noch immer vom Schweiß, der ihn offenbar die ganze Nacht über gequält hatte. Seine Augen waren vom Fieber gerötet, und er wirkte noch schwächer als bei dem Besuch der Weißen.
»Mein Sohn. Was führt dich her?«
»Ich bin gekommen, um mit dir zu sprechen«, sagte Henare, doch der Häuptling schien es zu überhören.
»Setz dich doch, und vergib mir meinen Anblick. Als ich dich das erste Mal wiedergesehen habe, konnte ich mich besser beherrschen, aber am Morgen ist es immer besonders schlimm.«
Henare wusste nicht, was er darauf entgegnen sollte. War er vor Kurzem noch überrascht gewesen, als der Heiler ihm von der Krankheit erzählt hatte, so sah er nun selbst, dass der Alte recht hatte.
Offenbar habe ich nicht gut genug hingeschaut, ging es ihm durch den Sinn. Nicht mehr lange, und er wird wirklich zu den Ahnen eingehen.
Mühsam setzte sich der Häuptling auf. »Aperahangi hat mit dir gesprochen, bevor du mit den pakeha aufgebrochen bist, nicht wahr?«
»Das hat er.«
»Ich hatte ihn darum gebeten.«
»Das hätte ich mir denken können.«
»Dennoch hast du seine Bitte abgeschlagen.«
»Du weißt, wie ich darüber denke, Vater. Ich kann nicht zurückkehren, nicht jetzt. Eines Tages werde ich für unser Volk von großem Nutzen sein, und es kann euch nicht schaden, einen Mittelsmann unter den Weißen zu haben.«
»Eines Tages ist eine sehr lange Zeit. Zeit, die ich nicht mehr habe. Wenn ich sterbe, will ich wissen, wer meine Nachfolge antritt. Mani ist sehr bestrebt, meinen Platz einzunehmen, er lässt keine Gelegenheit aus, um sein mana zu erhöhen.«
»Dann solltest du ihn zu deinem Nachfolger machen.« Vielleicht war es doch ein Fehler, hierherzukommen, dachte Henare. Ich hätte wissen müssen, dass es nur wieder um das eine Thema geht und er mich nicht reden lassen würde.
»Das will ich nicht, und Aperahangi hat dir bereits erklärt, warum.« Ein Hustenanfall ließ den Körper des ariki erzittern, rau und hohl tönte es aus seiner Kehle. Entsetzt bemerkte Henare, dass Blut über die Lippen seines Vaters floss. Doch der Anfall gab sich wieder, und der Häuptling wischte das Blut mit seinem Ärmel fort.
»Nun sag schon, weshalb du hier bist. Ich werde dich ohnehin nicht überreden können, deiner Pflicht nachzukommen.«
Henare zögerte. Sein Vater hatte schon immer das Talent besessen, Schuldgefühle in ihm zu erwecken. Diesmal sogar zu Recht; dennoch wollte er nicht nachgeben.
»Es geht um die pakeha , nicht wahr? Die beiden Sternseher.«
»Ja, deswegen bin ich hier. Ich möchte dich bitten, dein Einverständnis für ihren Bau zu geben. Erst dann können wir unseren Geschäftspartner bitten, für euch geeignetes Land zu suchen, das ihr im Tausch erhaltet.«
Der ariki ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Er starrte gegen die Wände seiner Hütte, als würde er dort etwas Bestimmtes sehen, und regte sich kein bisschen. Musste er erst einmal die Schmerzen des Anfalls verkraften?
»Dir scheint viel an den Weißen zu liegen«, stellte er schließlich fest. »Sehr viel sogar, sonst wärst du nicht hergekommen. Was ist der wahre Grund dafür?«
»Ich weiß nicht, was du meinst«, entgegnete Henare, worauf ihm sein Vater direkt in die Augen sah.
»Doch, das weißt du. All die Jahre hast du einen großen Bogen um unser marae gemacht, und nun erscheinst du und bittest mich, etwas für deine weißen Freunde zu tun. Das finde ich ein wenig seltsam.«
»Sie haben mir angeboten, auf der Sternwarte zu arbeiten. Auf diese Weise könnte ich dafür sorgen, dass euer Ansehen bei ihnen steigt.«
»Als ob wir darauf Wert legen würden!«
»Das tut ihr, denn ob ihr es wollt oder nicht, ihr müsst euch Aotearoa mit ihnen teilen. Und je mehr Achtung sie vor uns haben, desto besser wird es uns ergehen.«
Dazu sagte der Häuptling erst einmal nichts. Erst nach einer Weile brummte er: »Ich habe dich beobachtet, wie du mit diesem Mädchen gesprochen hast. Zu wem von den beiden gehört sie?«
Hitze wallte in Henare auf. Er hätte wissen müssen, dass sein Vater ihn trotz allem ganz genau beobachtete.
»Sie ist die Enkelin des Weißhaarigen«, entgegnete er. »Und sie beschäftigt sich ebenfalls mit den Sternen.«
Der Gesichtsausdruck seines Vaters gefiel ihm ganz und
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