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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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seine Worte klangen anders.
    »Welche Tragik! Von den eigenen Kompositionen getrennt. Und zu wenig bekannt, um sich mit ihnen zu legitimieren.«
    Der stämmige Harfenbauer indes war aufgebracht angesichts meiner Weigerung und sicher auch über de Pauls Offenbarungseid.
    »Sie müssen den Preis ja nicht bezahlen. Ich bringe es morgen zum Auktionator. Der wird schon herausholen, was herauszuholen ist!«
    »Einen dreiviertel Gulden für alles!«, bot ich ihm an. »Das ist mein erstes und letztes Wort. Den Auktionator will ich sehen, der hierfür auch nur einen halben Gulden erzielt! Und von diesem Vierteltaler würden Sie kaum die Hälfte erhalten, wenn er seine Provision einstreicht.«
    Dass ich trotz meiner Trauer nicht gewillt war, mich übers Ohr hauen zu lassen, stimmte Göttler nachdenklich.
    »In Gottes Namen, es ist zwar eine Schande, aber … sei’s drum, der christlichen Nächstenliebe halber. Sie haben die Kleider sicher nötig. Das andere ist ohnehin nichts wert.« Ich händigte dem Schuft die schmerzende Summe von fünfundvierzig Kreuzern ein. Davon hätten Jérôme und ich eine Woche gut leben können … Wortlos kämpfte ich meine Wut hinunter und schlug die kostspieligen Erwerbungen in das hellblaue, geblümte Bettlaken, das zuvor eine garstige braune Strohmatratze gnädig verhüllt hatte, bei diesem Preis aber selbstredend auch mir gehörte. Verdammt, das Bündel war höllisch schwer, wenn ich an den weiten Weg in die Mohrenstraße dachte. Gespannt, ob de Paul, der bereits resigniert zu haben schien, mir nicht doch folgen und noch einen Versuch machen würde, an den Parry zu kommen, schleifte ich den Bettel aufs Rondell hinaus.
    Ich verschnaufte und verfolgte die geschäftigen Bemühungen am Halleschen Tor. Auch an den schier endlos indie Ferne laufenden Häuserfronten der Friedrichstraße tat sich etwas. Überall waren die hier einquartierten Garnisonssoldaten und die Bürgerinnen und Bürger damit beschäftigt, quer über die Straße Schnüre zu spannen. Das war nicht ganz einfach, aber die Menschen scherzten und lachten und nahmen die Anstrengungen mit viel Humor. Die Prinzessinnen kämen am Sonntag von Potsdam herüber, wo sie am Sonnabend erwartet wurden.
Berlin, nun freue Dich!
So hatte es das
Journal
formuliert. Eine beispiellose Einfahrt würde das, ich stellte es mir vor, als säße ich mit ihnen in der Kutsche wie einst. In Schöneberg bekämen sie am Sonntagmorgen frische Pferde vor die Staatskarosse. Zum Glück würden sie sich dann schon eine Nacht von der weiten Anreise aus Darmstadt ausgeruht haben.
    O je, wie fühlte ich schon jetzt mit den beiden! Im
Journal
hatte alles schon so genau gestanden, als wäre es längst passiert: Die garstige Voss, dieses steife, stiernackige alte Paradeross von einer Oberhofmeisterin, würde der sanften, lebendigen Luise gegenübersitzen! Rieke hätte es besser, denn Sophie von Brühl war jung und schön und würde ihr Pendant sofort ins Herz schließen, das ahnte ich.
    Seufzend nahm ich meine Traglast wieder auf.
    In der Tat blieb Amadé de Paul mir auf den Fersen. Ich war schon ein Stück die Friedrichstraße hinauf, als er endlich aufschloss. Sein Tritt auf dem verharschten schmutzigen Schnee klang verzweifelt.
    »Mademoiselle …«, flehte er förmlich, nachdem er sich endlich überwunden hatte, mich anzusprechen.
    »Madame! Marquise sogar!«, konterte ich und setzte meinen Ballen wieder kurz ab. Die Schuhe zahlloser Berliner hatten den Harsch schmutzig eingefärbt. Stellenweise war er heller und sehr glatt, denn nicht jeder hatte die Asche aus dem eigenen Herd zur allgemeinen Begehung gespendet.Auch standen einige Häuser in dieser einst so prächtigen und reichen Straße leer.
    »Pardon, ich wusste nicht … Lassen Sie mich Ihnen tragen helfen! Bei diesen Wegverhältnissen ist das eine Tortur! Wohin müssen Sie?«
    »Mohrenstraße, neben der Dreifaltigkeitskirche.«
    Das war mit diesem Paket ein hübsches Ende, doch mein Begleiter schwang es sich wortlos über die Schulter.
    »Was wollen Sie für Ihre Hilfe? Das, was Ihnen angeblich sowieso gehört?«
    Sein Blick verschleierte sich, und seine Entgegnung kam gedämpft.
    »Sie haben mich durchschaut! Die Kompositionen im Heft ebenfalls. Sie stammen von mir.«
    »Da werden Sie noch etwas drauflegen müssen! Der Trägerlohn, den Sie zu erwarten hätten, entspricht dem kaum als Gegenwert.«
    De Paul lächelte nun schwach, offenbar schon eine Chance witternd, an seine Schätze zu kommen. Dann seufzte er

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