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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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und erklärte, mit einem Mal sehr redselig:
    »Madame, Sie wissen, wie schwer das Leben für uns Emigranten ist! Für Musiker ist es wie eine Abnabelung, denn die französische Musik, die unser Leben war, gilt plötzlich nichts mehr. Ich muss mich nach englischem, italienischem oder deutschem Vorbild verbiegen, um überhaupt noch etwas abzusetzen. Immerhin gibt es einen Lichtblick: Man sagt, dass die künftige Kronprinzessin die Künste liebt. Ich hoffe, es gelingt mir, einen Auftrag vom Thronfolger zu bekommen …« Sein etwas zu großer Kopf lehnte sich an das gefüllte bleumorante Bettlaken wie an eine himmelblau gestrichene Wolke. »Ich muss mir etwas einfallen lassen. Am einfachsten wäre es, ich würde der hohen Dame ein Singspiel widmen – es müsste nur einer das Libretto schreiben.«
    Wir hatten die Mohrenstraße erreicht und legten das letzte Stück schweigend zurück. Ich bat ihn kurz herein in unser Arbeits- und Empfangszimmer, wo uns Jérôme begrüßte, ohne sich weiter in seiner Arbeit beirren zu lassen. Ich öffnete das Bündel und fragte de Paul, der noch immer keine Anstalten machte zu gehen:
    »Was wissen Sie über Anne de Pouquet und den tödlichen Salon? Über ihr Verhältnis zu Beatrice de Grève? Und was über die beiden anderen Toten?«
    Jetzt blickte Jérôme kurz auf, nur um kopfschüttelnd die Sehstrahlen wieder auf die halb fertige Schreckenslaterne zu bündeln.
    »Es ist ein böser Traum! Ich kannte Mademoiselle de Pouquet vom letzten Konzert der de Grève in Gaston Armand Comte de Mâconnais-Rambouillons Wohnung. Ich muss gestehen, dass ich von ihrer Musikalität hingerissen war. Sie spielte wunderbar, fast besser als die Hausherrin in meinen Augen, was auch das gespannte Verhältnis zwischen den beiden erklären mochte. Ich fragte sie, ob Sie vielleicht eines meiner Lieder spielen wolle? Ich vertraute ihr meine gesamten Kompositionen an. Das dicke Heft, das Sie eben gekauft haben … Ich hätte es mir so gut vorstellen können. Über die Geschehnisse der Mordnacht weiß ich nichts; ich schlief sehr tief und fest und hörte nichts: keinen Schrei, keine Musik. Die eingezogenen Wände im Palais sind dünn und hellhörig, und dennoch …«
    Er schien mit den Tränen zu kämpfen, ermannte sich wieder und fuhr fort:
    »Die beiden anderen Toten? Ich habe weder den Comte noch Alphonse Dampmartin näher gekannt. Sie kamen ja auch erst vor Kurzem an. Gesehen, wenngleich nicht länger gesprochen, habe ich sie bei dem erwähnten Konzert. Wir waren Nachbarn, Dampmartin und ich, gewiss … Dochmeine Aufmerksamkeit wurde an diesem Abend ganz von Ihrer werten Freundin absorbiert.«
    Er fügte, sich an sein eigentliches Anliegen erinnernd, mit einem Blick auf Parry und das Notenheft hinzu:
    »Ich würde es Ihnen abstottern!«
    Es war ihm sehr ernst damit, das sah ich, doch mein Innerstes riet mir zur Vorsicht.
    »Wenn Sie die Sachen unbedingt haben wollen, so sollen Sie sie bekommen, ganz ohne Geld. Alles, was ich dafür verlange, ist ein wenig Mithilfe.«
    Er stutzte.
    »Was soll das heißen? Wobei?«
    »Ich will herausfinden, was mit Anne de Pouquet und den beiden anderen geschehen ist.«
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    Diese Frage war einfältig. Er wohnte neben der Mordwohnung und verstand meine Neugier nicht? Dementsprechend enerviert antwortete ich:
    »Aus reiner Neugier und aus Spaß an der Deduktion! Ihnen scheint die Vorstellung, nur durch eine dünne Wand von der Stätte eines dreifachen Mordes getrennt gewesen zu sein, ja nicht eben viel Kopfzerbrechen zu bereiten.«
    Er wirkte frappiert und suchte nach Worten, ohne welche zu finden. Daher lenkte ich ein:
    »Sagen wir besser, weil ich meine Wut und meine Fassungslosigkeit wohl nicht anders in den Griff bekomme. Ich frage mich die ganze Zeit, ob ich an Ihrer Stelle dort noch wohnen bleiben könnte.«
    Nun nickte er vorsichtig.
    »Glauben Sie nicht, dass ich so fühllos wäre, die Schauerlichkeit dieser Situation nicht zu erkennen. Ich beweine den Tod Ihrer Freundin, denn ich fühlte mich ihr so nahe an dem Abend, als ich sie spielen hörte. Ich hätte sie so gernewiedergesehen … und jetzt … Ich würde ausziehen, wenn ich könnte. Doch ich kann mir ja nicht einmal meine eigenen Kompositionen zurückkaufen.«
    »Sie bekommen sie zurück, wenn Sie mir helfen, unbemerkt ins Palais zu gelangen, damit ich die Mordwohnung untersuchen kann – und schon haben Sie ihr geistiges Eigentum wieder! Das ist doch sehr wohlfeil.«
    »Sie meinen

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