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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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Irritation weg und fuhr betont sachlich fort:
    »Ich sah bereits mehrere Werke aus seiner Kollektion. Daher gibt es keinen Irrtum, was Wappen und Signatur betrifft. Einer der Aufkäufer muss bis in unsere Gegenden gelangt sein, um seinen Besitz peu à peu zu Geld zu machen. Das braucht ja jeder Ex-Franzose in Berlin: Geld.«
    Er lächelte mich eine Spur zu herablassend an.
    »Wie viel wollten Sie denn dafür haben?«
    Ich klärte das Missverständnis auf.
    »Ich möchte es nicht verkaufen. Ich erwarb es mit einem kleinen Nachlass und war neugierig, was ich mir eingehandelt habe. Ich bin übrigens Berlinerin von Geburt. Meine Cousine Evelyn von Hartwig ist im Chor.«
    »Was Sie nicht sagen! Dann sind Sie die Urenkelin des großen Liebhaberdetektivs … Haben Sie etwa die Fühler ausgestreckt in der Harfenmordgeschichte, von der schon ganz Berlin spricht?«
    Ich beließ es bei unbewegtem Schweigen und war nicht erfreut über seine Mitteilung, dass diese Sache sich so verbreitet hatte. Waren die Polizeioffiziere daran schuld, oder war es Heims Reihenuntersuchung?
    Christian Friedrich Fasch, der Gründer der Singakademie, kam von seiner Mittagspause zurück und grüßte höflich. Dann wandte er sich seiner Herde zu. Erst jetzt sah ichEvelyn unter den Sängerinnen und Sängern, die sich wieder gehorsam aufbauten, und winkte ihr wenigstens noch, bevor ich ging.
    »Einen Achtelgulden bringt es schon! Wenn man einen Liebhaber findet!«, sagte Zelter, der sich bereits mehr für die Fortsetzung seiner Probe zu interessieren schien, während er mir den Parry zurückgab. Ich dankte und wünschte ihm viel Glück für den morgigen Tag.
    Liebhaber
lautete das Stichwort. Den Liebhaber musste ich finden, Anne de Pouquets letzten Besucher. Auf dem Heimweg wirbelte es mir im Kopf: der kultfreundliche Duc de Roux … ein Anhaltspunkt ohne rechten Anhalt.
    Als ich Jérôme nach diesem Schatten der Vergangenheit fragte, hob er die feinen Augenbrauen, legte die Schreckenslaterne aus der Hand, die er eben gefertigt, und küsste mich auf den Mund, bevor er sagte:
    »Erinnerst du dich nicht? Wir waren Zeugen seines letzten Auftritts!«
    »Natürlich erinnere ich mich, auch wenn ich mitunter schon die Hinrichtungen durcheinanderbringe, bei denen ich zugesehen habe.«
    Es sind einfach zu viele gewesen. Aber diese hatte ich nicht vergessen wegen Anne de Pouquets Erscheinen in meinem Leben. Auch die vorausgegangene sogenannte
Verhandlung
des Tribunals tauchte wieder vor meinem Auge auf: eine öffentliche Demütigung des alten Mannes durch den Präsassen Hermann und den Staatsanwalt der Revolution Fouquier-Tinville. Dann ab auf die Bühne. Fallbeil und Vorhang …
    »Ein Mann, der zweifellos die höchste Anerkennung besaß: als Hofantiquarius für den Ankauf seltener Bücher und Handschriften verantwortlich, Großsiegelbewahrer in dritter Generation, Vorsteher der weltlichen Hofschatzkammerund zuletzt einer der wenigen Staatsbeamten, die des Königs vollstes Vertrauen besaßen. Er war einmal in meines Vaters Schloss zu Gast, als er in der Gegend nach bibliophilen Schätzen grub.«
    Ich musste lächeln, denn alle wichtigen Menschen, die wir gesprächsweise streiften, hatten einmal bei den de Lalandes am Tisch gesessen. Jérôme hatte das Haus und die Besitzungen seiner Ahnen um 1779 zu Geld gemacht, um den Kolonien in Nordamerika zur Unabhängigkeit zu verhelfen. Er war ein Vorkämpfer der Neuen Welt in Wissenschaft und Politik – und doch liebte er es, immer wieder dezent auf den adeligen Zweig des Ancien Régime hinzuweisen, dem er entstammte.
    Er entzündete die Lampe der fertigen Zauberlaterne, um sie zu testen. Ich schob einen Bilderstreifen ein und löschte die beiden großen Öllampen über der Tischplatte. Unmittelbar leuchtete eine Burgruine auf einem Hügel mit viel buschigem, lieblichem Wald auf der weißen Wand unseres Arbeits-Wohnzimmers auf. Blumen am Waldwiesenboden: ein Idyll!
    Ich schob den Glasstreifen weiter, um das nächste Bild hervorzurufen: Schwarze Nacht hatte sich über Berg und Wald gelegt. Die Burg hatte hell erleuchtete Fensterhöhlen, denn der Mond wölbte sich wie ein spiegelnder Teller schräg dahinter in der Finsternis. Fledermäuse waren zu sehen und eine Nachteule. Wo die Blumen im Dunkel nur noch als schwarze Bälle erschienen, saß eine Kreuzspinne in ihrem mondlichtüberglänzten Netz …
    »Irgendetwas mit Geheimlehren spukt mir durch den Kopf, wenn der Name de Roux fällt. Was war das doch noch gleich?«,

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