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Der rote Salon

Der rote Salon

Titel: Der rote Salon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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Jägerstraße schliff die Linsen für unseren Verkaufsschlager; Spang, der Kupferschmied, war mit dem Anfertigen passgenauer Tuben beauftragt, der Glaser Grüne mit dem Zuschneiden der Bildflächen, sodass wir selbst nur das Biegen der Bleche für das Gehäuse und das Zusammenfügen aller Einzelteile besorgten. Eine Heidenarbeit noch immer, trotz allem!
    Es war abzusehen, dass noch mehr Helfer vonnöten wären. Wir würden viele Interessenten auf später vertrösten müssen. Ich hätte gern Anne de Pouquet als Unterstützung gewonnen, doch sie hatte eine Anstellung bei einem Instrumentenbauer am Rondellplatz gefunden, die sie mit großer Glückseligkeit zu erfüllen schien. Aus ihren spärlichen Erzählungen über ihre frühere Existenz hatte ich dunkel inErinnerung, dass sie unter allen Instrumenten die Harfe am meisten geliebt und auch mit viel Hingabe gespielt hatte. Im Salon der Gouze hatte ich wohl einmal ihr Spiel gehört, aber ich muss gestehen, dass ich nicht viel Erinnerung daran besaß und zu wenig musikalischen Verstand, ihre Kunst genügend einzuschätzen.
    Wir schrieben uns kleine Briefe, aber dennoch rückte Anne de Pouquet, wie auch Paris und die Revolution, für mich über den prosaischen Aufregungen des Weihnachtsgeschäfts in die Ferne.
    Zur Laterna-magica-Fabrikation gesellten sich noch die Vorbereitungen des Weihnachtsfestes in Großmutters Haus. Wie hatte ich mich darauf gefreut, Anne de Pouquet zum Fest aus ihrem stillen Kämmerlein zu locken und ihr die Segnungen des großmütterlichen Gänsebratens zuteil werden zu lassen. Doch wie groß war meine Enttäuschung, als sie mir schrieb, dass sie uns einen Korb geben müsse … Ihre Begründung war ebenso rätselhaft wie unwiderlegbar. Ich habe ihre Briefe eine Zeitlang entbehren müssen, später jedoch wieder zurückbekommen, daher kann ich den Wortlaut hierher setzen:
    »Meine Teuerste!
    Ein ganz unerwarteter Besuch und Einbruch in mein Leben wirft unsere schönen Weihnachtspläne über den Haufen! Oh, glauben Sie mir, ich habe gute Gründe! Und halten Sie mich nicht für misogyn oder menschenscheu! Weil ich Sie in guten Händen weiß und als eine starke, heldische Bürgerin kenne (hören Sie mich reaktionär lachen!), mildern sich meine Bedenken, mich von Ihrem Fest zurückzuziehen.
    Seien Sie nur nicht in Sorge oder Trauer, denn dazu ist kein Grund! Die Geister sind rege und harren der Wiederkehr.Die Könige steigen wieder aus der Seine. Sie sind nicht für immer gestorben! … Er ist die reine Harmonie, er ist es, der meine Seele zum Klingen bringt wie die Saiten einer Harfe … Wenn ich in der Nacht zu ihm spreche, so erscheint er mir auch am Tage in lichter Deutlichkeit …
    Dagegen sind die Könige nur schwache Schatten … Doch entbinden Sie mich davon, mich vorderhand genauer darüber auszulassen. Es gibt Dinge, über die kann man besser reden als schreiben, und sogar zum Reden sind sie noch zu heilig. Dennoch, schreiben Sie mir ruhig weiter, damit ich ein wenig von Ihrem Fest miterlebe. Aber seien Sie nicht gekränkt oder zürnen mir gar, wenn ich im Schreiben künftig zurückhaltend sein werde. Kämen Sie in Person, mich einzufordern, so fänden Sie ein ganz aufgelöstes Nervenbündel (wohlig aufgelöst…), doch nicht die, welche Sie in verständiger Erinnerung haben. Ich hoffe sehr, Sie schon bald wiederzusehen –
    AdP«
    Wenn Anne de Pouquet von Geistern sprach, war etwas im Busch. Vor allem, wenn sie dabei die alten Könige erwähnte, die sie so gern auf die Welt zurückgezaubert hätte. Daher war der Fall für mich klar: Der Besuch, von dem sie so geisterhaft-verblümt sprach, war ein Mann, und zwar eine ganz bestimmte Spezies: ein Geliebter! So wurde mir die Geheimniskrämerei verständlich. Verzückt Liebende verstecken und hüten sich naturgemäß vor Störung.
    Die Revolution hatte vieles zu Fall gebracht, doch die stets heiklen Beziehungen zwischen Frauen und Männern waren die alten geblieben. Französische Zustände in der Liebe gab es nicht, auch wenn Frauen wie Marie Gouze sich einen von Ängsten und überkommenen Vorstellungen befreiten Umgangder Geschlechter wünschten. Die Gouze hat ihre Vision sogar teilweise ausgelebt, doch zuinnerst blieb sie unglücklich mit ihren wechselnden, flüchtigen Liebhabern. Es war ein Haschen nach dem Wind, eine ungestillte Sehnsucht – ein Begehren, das ohne festen Punkt brennt und so nur irrlichtert und verheißungsvoll leuchtet, ohne zu wärmen und Glut zu entfachen. Ihre Version der

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