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Der Rote Wolf

Der Rote Wolf

Titel: Der Rote Wolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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den Toilettendeckel herunter.
    Wütend ging sie in die Küche, suchte alle Zutaten für das Essen zusammen, verbrannte sich an der Gasflamme, als sie den Reis aufsetzen wollte, schnitt sich, als sie die Filets schnetzelte und die Zwiebeln hackte, zitterte, als sie die Konserven mit Kokosmilch und Mais und asiatischen Pilzen öffnete.
    Hatte sie sich vielleicht verguckt? Das war denkbar. Thomas sah aus wie viele andere schwedische Männer auch. Er war groß, hatte helle Haare, breite Schultern und einen Bauchansatz. Immerhin war es dunkel gewesen und die Entfernung recht groß, vielleicht hatte er gar nicht mit der blonden Frau zusammengestanden. Vielleicht war es ein anderer Mann gewesen.
    Sie richtete sich auf, ließ die Schultern sinken und hörte, dass die Wohnungstür geöffnet wurde.
    »Papa!«
    Sie lauschte den jubelnden Rufen der Kinder und den festen Begrüßungsumarmungen und seiner tiefen Stimme, in der sich Freude und vorsichtiges Erwehren mischten, richtete den Blick auf die Dunstabzugshaube und fragte sich, ob man es sehen konnte, ob in seinem Gesicht etwas erkennbar sein würde, das ihr die Antwort gab.
    »Hallo«, sagte er hinter ihrem Rücken und gab ihr einen leichten Kuss auf den Hinterkopf. »Wie fühlst du dich? Geht es dir besser?«
    Sie atmete tief durch, bevor sie sich umdrehte und ihn ansah.
    Er sah so aus wie immer.
    Anthrazitfarbenes Jackett, dunkelblaue Jeans, hellgraues Hemd und glänzender Seidenschlips.
    Seine Augen waren wie immer, ein wenig müde und eine Spur desillusioniert, seine Haare waren dicht und zerzaust über den dunklen Augenbrauen.
    »Es geht so«, sagte sie. »Ein bisschen besser.«
    »Gehst du morgen wieder arbeiten?«
    Sie drehte sich um, rührte im Topf, zögerte.
    »Nein«, antwortete sie. »Ich hab mich eben noch übergeben.«
    »Hauptsache, du steckst uns nicht alle an mit deiner Winter-Darmgrippe«, meinte Thomas und setzte sich an den Küchentisch.
    Er kann es nicht gewesen sein. Es muss ein anderer Mann gewesen sein.
    »Wie war es bei der Arbeit?«, fragte sie und stellte den Topf auf einen Untersetzer.
    »Cramne vom Justizministerium ist ein richtiger Schaumschläger«, sagte er. »Er redet viel, wenn der Tag lang ist, nichts als heiße Luft. Ich und die Lady vom Landtagsverband müssen die ganze Arbeit machen, und er brüstet sich anschließend damit.«
    Annika hielt mit dem Reis in der Hand inne, blieb stehen und sah die Schlagzeile der Tageszeitung, offenbar war etwas über die kulturpolitischen Vorhaben durchgesickert, die nächste Woche vorgestellt werden sollten.
    »Vom Landtagsverband«, sagte sie. »Wie war noch mal ihr Name?«
    Thomas machte eine Bewegung, sodass die Zeitung umknickte, und sie begegnete für einen kurzen Moment seinem Blick, ehe er der Zeitung einen Schlag versetzte, sodass sie wieder sein Gesicht verdeckte.
    »Sophia Grenborg«, sagte er.
    Annika starrte das Porträt der Kultusministerin neben dem Artikel an.
    »Und wie ist sie so?«
    Thomas las, und es vergingen ein paar Sekunden, bis er antwortete.
    »Ehrgeizig«, meinte er dann, »und ziemlich von sich selbst überzeugt. Sie versucht oft, Lobbyarbeit für den Landtagsverband zu machen, was einem etwas auf die Nerven gehen kann.«
    Er schlug die Zeitung zu, stand auf und warf sie auf den Fenstersims.
    »Ich hol die Kinder«, sagte er. »Diese Woche will ich mein Tennis nicht verpassen.«
    Kurz darauf kehrte er mit einem lachenden und einem kreischenden Kind unter jedem Arm in die Küche zurück, setzte die beiden auf ihren Plätzen ab, fasste wackelnde Zähne an und bewunderte neue Stiefel, machte Unfug mit Zöpfen und hörte sich an, was es über Bonbonmaschinen und das Versprechen eines Besuchs bei Pelle Ohneschwanz in Uppsala zu berichten gab.
    Ich bilde mir das alles nur ein, dachte sie. Ich habe mich schlichtweg getäuscht.
    Sie versuchte mitzulachen, aber es wollte ihr nicht recht gelingen, den scharfen Stein in ihrer Brust zu erweichen. Er war es nicht, es war ein anderer Mann. Wir sind seine Familie, und er liebt uns. Er würde die Kinder niemals im Stich lassen.
    Ihre Kinder, die ganz schnell aßen, weil sie das Kinderprogramm im Fernsehen nicht verpassen wollten.
    »Das hat sehr gut geschmeckt, danke fürs Essen«, sagte Thomas und küsste sie flüchtig.
    Gemeinsam deckten sie den Tisch ab, Hände berührten sich leicht, und Augen begegneten sich für kurze Momente.
    Er würde mich niemals verlassen.
    Sie schaltete die Spülmaschine an, und er legte die Hände um ihren Kopf

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