Der Rote Wolf
französischer Name. Vermut lich hat er in einem Dorf im französischen Teil der Pyrenäen gelebt von wo aus er einigermaßen reibungslos die Grenze überqueren konnte.«
Annika hörte, dass die Kinder im Fernsehzimmer aufeinander losgingen und sich schlugen.
»Er war also tatsächlich Profikiller? So jemand wie Leon?«
»Solche Typen gibt es nur in Luc-Besson-Filmen, aber wir wissen, dass er gegen Bezahlung blutige Jobs ausgeführt hat. Ich muss jetzt los, und wenn ich recht höre, müssen Sie sich gleich auch um etwas kümmern.«
»Sie schlagen sich um einen Stofftiger«, sagte Annika.
»Gewalt wird dein Erbteil sein, oh, Mensch«, meinte Q_und legte auf.
Annika sah mit einem Kind auf jedem Knie den Pippi-Film zu Ende, putzte ihnen dann die Zähne und las ihnen zwei Kapitel aus
Wir Kinder aus Bullerbü
vor. Sie sangen gemeinsam drei Lieder aus dem großen schwedischen Liederbuch, und danach schliefen die Kleinen sofort ein. Als sie sich schließlich an den Schreibtisch setzte, um zu schreiben, war ihr vor lauter Müdigkeit schwindlig. Die Buchstaben schienen wie Inseln über den Bildschirm zu treiben und ließen sich nicht fixieren, und plötzlich überkam sie das Gefühl, vollkommen unfähig zu sein.
Sie floh vom Bildschirm ins Badezimmer und wusch sich das Gesicht mit eiskaltem Wasser, goss anschließend in der Küche Wasser in den Kessel und kochte sich eine Kanne Kaffee. Sie nahm die Kanne und eine Tasse vom Gemeindetag und setzte sich wieder an den Computer.
Sie war leer, hatte nichts mehr zu geben, hob den Telefonhörer ab und rief Jansson an.
»Ich bringe nichts zustande«, sagte sie. »Es geht einfach nicht.«
»Du schaffst das schon«, entgegnete Jansson angespannt. »Ich brauche dich jetzt. Wir helfen uns gegenseitig. Wo bist du stecken geblieben »Ehe ich überhaupt angefangen habe.«
»Du musst ganz von vorne anfangen. Erstens. Ein Serienkiller läuft frei herum, darum geht es auf der Titelseite. Du fängst mit der Zusammenfassung an, rekapitulierst die Todesfälle in Lulea, beschreibst die Zitate in den Briefen.«
»Darf ich nicht«, warf sie ein und schrieb »Serienkiller, Zusammenfassung Lulea«.
»Das musst du dann beim Schreiben abwägen, bring die Informationen unter, so gut es eben geht. Zweitens. Anschließend berichtest du über den Mord in Osthammar, das ist neu, und unter Umständen haben wir es sogar exklusiv. Die Erzählung der Frau, die Arbeit der Polizei. War es Mord?«
»Japp.«
»Gut. Drittens. Als Nächstes stellst du die Verbindung zwischen Osthammar und Lulea her und beschreibst die verzweifelte Jagd der Polizei nach dem Mörder.
Du hast die Titelseite, die sechs, sieben, acht und neun plus die Mitte für deinen alten Terroristen, für den wir schon das Layout haben.«
Sie antwortete nicht, lauschte stattdessen den fernen Geräuschen hinter dem Chef vom Dienst: ein Fernseher mit einer monotonen Nachrichtenstimme auf Englisch, ein klingelndes Telefon, das Klappern von Tastaturen, eine Symphonie der Effektivität und des Zynismus, die angeblich den Bestand der Demokratie garantierte.
Sie sah Gunnel Sandström vor sich, ihre weinrote Strickjacke und ihre sanften Wangen, und wurde von einem Gefühl unendlicher Ohnmacht erfüllt.
»Okay«, flüsterte sie.
»Mach dir wegen der Bilder keine Gedanken«, sagte Jansson. »Das regeln wir hier. Bei der Übergabe haben einige ein saures Gesicht gemacht, weil du ohne Fotograf nach Osthammar gefahren bist, aber ich habe ihnen erklärt, du wärst nur auf gut Glück dahin und hättest nicht ahnen können, dass du einen großen Coup landest. Wir haben uns ein Bild von dem Bauernhof besorgt. Die Alte wollte nicht mit drauf, aber wir haben die Mutter des Typen und den Chefredakteur der
Norrlands-Tidningen
als trauernde Angehörige, dieser Reporter da oben hatte keine eigene Familie, wenn ich es richtig verstanden habe?« »Das stimmt«, sagte Annika leise.
»Gibt es eine Chance, Fotos von den Briefen zu machen?«
»Heute Abend? Das könnte schwierig werden. Es dürfte aber auch kein Problem sein, eins zu arrangieren. Alles, was man dazu braucht, gibt es in der Redaktion.«
»Pelle!«, rief Jansson Richtung Bildredaktion. »Studiobild von ein paar Briefen, und zwar schnell.«
»Ganz normale weiße Umschläge«, erläuterte Annika, »Briefmarken mit einem Eishockeyspieler. Der Inhalt bestand aus linierten Blättern aus einem Collegeblock, die Ränder waren ein bisschen ausgefranst, du weißt schon, wenn man keine Lust hat, an der
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