Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf der Finsternis - Algarad 2

Der Ruf der Finsternis - Algarad 2

Titel: Der Ruf der Finsternis - Algarad 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Reichard
Vom Netzwerk:
Verliesen genug schreckliche Dinge angetan, und ich verzichte gern auf seine Gesellschaft.«
    »Ich bleibe dabei, Ucek wird uns den Weg weisen«, sagte Osyn bestimmt. »Bis jetzt hat er jeden seiner Aufträge bestens erledigt.«
    Iru seufzte. »Hoffen wir, dass Euer Bannzauber nie nachlassen wird.«

6
    Es war helllichter Tag. Hoch über dem Narnen-Meer, oberhalb von wirbelnden Wolken, schoss ein Vyron über den Himmel. Seine ledernen Schwingen, die denen eines Drachen glichen, hoben und senkten sich in gleichmäßigem Rhythmus. Der dreieckige Schädel, in dem dunkle Augen leuchteten, bewegte sich auf dem kurzen Hals hin und her, als suche er nach Orientierungspunkten. Das Flugtier war imstande, feinste Düfte wahrzunehmen, die vom Wind herangetragen wurden, und erkannte auf diese Weise, wo sich Land befand oder eine große Wasserfläche auftat. Diese Fähigkeit konnte bei einem Flug über die Weiten des Meeres lebensrettend sein.
    Der Vyron bewegte sich in einer Höhe, in der die Luft schneidend kalt war, wodurch die beiden Reiter auf seinem Rücken bitterlich froren. Eilenna klammerte sich am Sattelknauf fest und vermied es, hinunterzublicken. Sie empfand die Nähe des Südländers, der dicht hinter ihr saß, als abstoßend, obwohl sein Körper sie ein wenig wärmte. Anfangs rückte sie, so weit es ging, von ihm ab oder schob ihn mit dem Ellbogen weg, wenn sie das Gefühl hatte, er käme ihr zu nah.
    »Die Rose des Nordens wird noch lernen, meine Anwesenheit zu schätzen«, lachte er dann jedes Mal.
    Gleich nach ihrer Flucht von Gondun waren sie ins Zentrum eines Herbststurms geraten, der über der Insel wütete. Heftige Windböen und ein eiskalter Regen hatte das Vorwärtskommen in den Lüften zu einer Qual gemacht, und für einen kurzen Augenblick hatte Thut Thul Kanen erwogen, wieder nach Gondun zurückzukehren und abzuwarten, bis sich das Wetter gebessert hatte. Doch der Vyron war ein Tier des Himmels und wusste instinktiv, welche Bereiche er gefahrlosdurchfliegen konnte, also hatte Thut Thul Kanen ihm freie Zügel gelassen. Das Tier schraubte sich in einer steilen Spirale empor und weit hinaus über die Wolkengrenze, und nun flogen sie unter einem stahlblauen Himmel, über dem die Sonne gleißte.
    Eilenna biss wütend die Zähne aufeinander. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen? War es Amberon und Dualar wenigstens gelungen, gegen den Bash-Arak zu bestehen und den Kristall in ihren Besitz zu bringen, oder war ihr Opfer womöglich vergebens gewesen? So oder so – sie selbst saß in der Falle und war ihrem Entführer hilflos ausgeliefert. Was konnte sie nur tun? Ihre Gedanken wirbelten durcheinander, aber an Flucht war nicht zu denken. Am liebsten hätte sie Thut Thul Kanen das kleine Stilettmesser in den Leib gerammt, das sie verborgen bei sich trug, doch sie verwarf das Vorhaben sogleich wieder, da es zu gefährlich war. Am Ende kippten sie beide im Kampf aus dem Sattel und stürzten gemeinsam in den Tod.
    »Du hast klug gehandelt, dich mir auszuliefern«, flüsterte ihr Thut Thul Kanen ins Ohr, als spürte er ihren Zorn. »Ich ahnte schon vorher, dass du ein verständiges, sanftes Wesen hast.« Bewundernd ließ er eine Strähne ihres Haars durch seine Finger gleiten.
    »Ein sanftes Wesen? Dass du dich nur nicht irrst!«, fauchte sie und stemmte ihren Ellbogen zwischen sich und ihn. »Du hast meine Dornen noch nicht zu spüren bekommen.«
    Wieder lachte Thut Thul Kanen. »Wir werden sehen. Im Garten meines Hauses in Shon blühen viele verschiedene Rosenarten. Manche brauchen besondere Pflege und Fürsorge, entwickeln ihre Schönheit und Anmut aber von alleine, andere jedoch müssen beschnitten werden, damit sie in die richtigeRichtung wachsen. Du kannst wählen, zu welcher Sorte du zählen möchtest.«
    Eilenna warf trotzig den Kopf nach hinten. »Vielleicht gibt es noch eine dritte Sorte – eine, die tödlich für den Gärtner ist.«
    Doch Thut Thul Kanen lachte nur und gab dem Vyron die Zügel.

7
    Urisk und Tenan betraten das Innere der mannshohen Wurzel, in der man aufrecht stehen konnte. Ein erdiger Geruch von Holz, Moos und Flechten schlug ihnen entgegen, alles war in tiefschwarze Finsternis getaucht. Urisk fand sich ohne Licht bestens zurecht und führte Tenan durch einen verschlungenen Gang, der sich in einer leichten Steigung spiralförmig nach oben wand.
    »Kann man alle Wurzeln der Bobith-Bäume betreten?«, erkundigte sich Tenan leise.
    Urisk verneinte. »Nur wenige sind es, die meisten

Weitere Kostenlose Bücher