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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Whisky.
Jedenfalls, ja, ich kann es tun - wenn du es willst.« Ich zwang mich stillzusitzen und sah zu, wie sie langsam vor der Feuerstelle hin- und herging, die Hände in Gedanken hinter dem Rücken verschränkt.
    »Wir müßten es chirurgisch machen«, sagte ich, weil ich nicht schweigen konnte. »Ich habe nicht die richtigen Kräuter - und sie sind sowieso nicht immer zuverlässig. Chirurgie ist zumindest… sicher.« Ich legte das Skalpell auf den Tisch; sie sollte sich keine Illusionen über das machen, was ich da vorschlug. Sie nickte bei meinen Worten, unterbrach aber ihre Schritte nicht. Genau wie Jamie konnte auch sie besser nachdenken, wenn sie in Bewegung war.
    Ein Schweißrinnsal lief mir den Rücken herunter, und ich erschauerte. Das Feuer war ziemlich warm, doch meine Finger waren so kalt wie Eis. Himmel, wenn sie es wollte, würde ich überhaupt in der Lage sein, es zu tun? Von der Anstrengung des Wartens hatten meine Finger zu zittern begonnen.
    Schließlich drehte sie sich um und sah mich an; ihr Blick war klar und abschätzend unter den dichten, roten Brauen.
    »Hättest du es getan? Wenn du gekonnt hättest?«
    »Wenn ich gekonnt hätte…?«
    »Du hast einmal gesagt, daß du mich gehaßt hast, als du schwanger warst. Wenn du es nicht hättest sein können…«
    »Gott, dich doch nicht!« platzte ich vom Schreck getroffen heraus. »Dich doch nicht, niemals. Es…« Ich verknotete meine Hände, um das Zittern zu stoppen. »Nein«, sagte ich so fest wie ich konnte. »Niemals.«
    »Du hast es gesagt«, sagte sie und sah mich eindringlich an. »Als du mir von Pa erzählt hast.«
    Ich rieb mir mit der Hand über das Gesicht und versuchte, mich zu konzentrieren. Ja, ich hatte es ihr gesagt. Ich Idiotin.
    »Es war eine schreckliche Zeit. Furchtbar. Wir waren dem Hungertod nah, es war Krieg - die Welt ging aus den Fugen.« Tat ihre das nicht auch? »Damals sah es so aus, als gäbe es keine Hoffnung; ich mußte Jamie verlassen, und dieser Gedanke vertrieb alles andere aus meinem Bewußtsein. Doch da war noch etwas anderes«, sagte ich.
    »Und was?«
    »Es war keine Vergewaltigung«, sagte ich leise und traf ihren Blick. »Und ich habe deinen Vater geliebt.«
    Sie nickte, und ihr Gesicht war ein wenig bleich.
    »Ja. Aber es könnte Rogers sein. Das hast du doch gesagt, oder?«
    »Ja. Es könnte sein. Reicht dir diese vage Möglichkeit?«

    Sie legte sich die Hand auf den Bauch, die langen Finger sanft gekrümmt.
    »Na ja. Für mich ist es kein es. Ich weiß nicht, wer es ist, aber…« Sie hielt plötzlich inne und sah mich an. Plötzlich sah sie verlegen aus.
    »Ich weiß nicht, vielleicht klingt das - na ja…« Sie zuckte mit den Achseln und verscheuchte ihre Zweifel. »Ich habe diesen scharfen Schmerz gespürt, der mich mitten in der Nacht geweckt hat, ein paar Tage… danach. Kurz, als hätte mich jemand mit einer Hutnadel gestochen, aber tief.« Ihre Finger krümmten sich einwärts, und ihre Faust preßte gegen die Stelle genau rechts über ihrem Schambein.
    »Einnistung«, sagte ich leise. »Wenn sich die Zygote in der Gebärmutter verwurzelt.« Wenn dieses erste, ewige Bindeglied zwischen Mutter und Kind geknüpft wird. Wenn das kleine, blinde Wesen, einzigartige Vereinigung von Ei und Sperma, nach der gefährlichen Reise des Beginns vor Anker geht, von seiner kurzen, schwebenden Existenz im Inneren des Körpers heimkehrt und sich geschäftig ans Werk der Teilung macht, seine Nahrung aus dem Gewebe zieht, in das es sich einbettet in einer Verbindung, die es zu keiner der beiden Seiten gehören läßt und doch zu beiden. Diese Verbindung, die nicht durchtrennt werden kann, weder durch Geburt noch Tod.
    Sie nickte. »Es war ein sehr merkwürdiges Gefühl. Ich war immer noch im Halbschlaf, aber ich… na, ich wußte ganz plötzlich, daß ich nicht allein war.« Ihre Lippen kräuselten sich schwach lächelnd bei der Erinnerung an ein Wunder. »Und ich habe zu… ihm… gesagt…« Ihre Augen ruhten in den meinen, immer noch von dem Lächeln erleuchtet. »Ich habe gesagt, ›Oh, du bist es‹. Und dann bin ich wieder eingeschlafen.«
    Ihre andere Hand legte sich über Kreuz auf die erste, eine Barrikade vor ihrem Bauch.
    »Ich dachte, es wäre ein Traum gewesen. Das war lange bevor ich es wußte. Aber ich erinnere mich daran. Es war kein Traum. Ich erinnere mich daran.«
    Auch ich erinnerte mich.
    Ich blickte nach unten und sah unter meinen Händen nicht die hölzerne Tischplatte und die blitzende Klinge,

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