Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)

Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
einen Teil der Pflichten, aber im Augenblick habe ich viel Freizeit. Und, Mom, das Essen ist einfach unglaublich. Heute erwarten wir Nachschub per Fallschirmabwurf. Es ist mir gelungen, dem Koch die besten Rezepte zu entlocken, aber Du wirst wohl ein paar Änderungen vornehmen müssen, weil sie auf fast dreißig Leute zugeschnitten sind.
    Da wir inzwischen seit beinahe einem Monat auf See sind, kommt es natürlich hin und wieder zu Reibereien. Wie eine richtige Familie streiten und vertragen wir uns, und es haben sich sogar ein paar Romanzen entwickelt. Von Lorraine Ross, der Chemikerin, mit der ich mir die Kabine teile, habe ich Euch schon berichtet. Der zweite
Koch George ist heftig in sie verknallt – irgendwie süß. Andere Flirts dienen wohl mehr dem Zeitvertreib und werden vermutlich im Sande verlaufen, sobald wir die Justine finden.
    Bis jetzt war das Wetter auf unserer Seite. Ich frage mich, wie es wohl zu Hause ist. In ein paar Wochen müssten die Azaleen und die Magnolien blühen. Ich bedaure, dass ich es nicht mitbekomme, und ich vermisse Euch. Ich weiß, dass Ihr bald nach Jamaika aufbrecht, deshalb hoffe ich, dass Euch dieser Brief noch vor Eurer Abreise erreicht. Vielleicht sehen wir uns im Herbst. Wenn alles nach Plan läuft, habe ich meine Dissertation bis dahin beendet. Es wäre schön, zur Abwechslung einmal in heimischen Gewässern zu tauchen.
    Jetzt muss ich schließen. Hayden brütet vermutlich schon wieder über seinen Seekarten, und ich bin mir sicher, dass er Hilfe gebrauchen kann. Vor Ende der Woche wird dieser Brief allerdings nicht weiterbefördert. Lasst bald von Euch hören. Hier draußen sind Briefe Gold wert. Ich liebe Euch.
    Tate
    Die Eintönigkeit habe ich nicht erwähnt, dachte Tate, während sie den Laptop in die Kabine, die sie mit Lorraine teilte, zurückbrachte. Oder die Einsamkeit, von der jedes Mannschaftsmitglied hier draußen auf dem weiten Meer immer wieder ohne Vorwarnung überwältigt wurde. Tate wusste, dass einige der Wissenschaftler langsam die Hoffnung verloren. Viel Zeit, Geld und Energie waren in diese Expedition investiert worden. Wenn die Gruppe versagte, würden ihre Investoren abspringen, es gäbe keine Beute aufzuteilen, und, was den meisten von ihnen noch wichtiger war, die Chance, selbst Geschichte zu schreiben, war hin.
    In ihrer engen Kabine sammelte Tate automatisch die Hemden, Shorts und Socken ein, die auf dem Boden verstreut
lagen. Lorraine mochte eine brillante Wissenschaftlerin sein, doch außerhalb des Labors war sie nicht besser organisiert als ein Teenager. Tate stapelte die Kleidungsstücke auf Lorraines ungemachter Koje und nahm den Duft des Moschusparfüms wahr, der in der Luft lag.
    Lorraine, stellte Tate fest, hatte sich offenbar dazu entschlossen, den armen George völlig um den Verstand zu bringen.
    Es erstaunte und freute sie zugleich, dass sie und Lorraine tatsächlich Freundinnen geworden waren, denn die beiden Frauen hätten kaum unterschiedlicher sein können. Während Tate sehr ordentlich war, legte Lorraine eine gewisse Nachlässigkeit an den Tag. Tate arbeitete wie besessen, Lorraine war eher faul und schämte sich nicht dafür. Seit dem College war Tate nur eine ernsthafte Beziehung eingegangen, die in aller Freundschaft geendet hatte, während Lorraine bereits zwei hässliche Scheidungen und unzählige stürmische Affären hinter sich hatte.
    Sie war eine kleine, zierliche Frau mit einer kurvenreichen Figur und einem Heiligenschein aus blondem Haar. Nicht im Traum wäre Lorraine auf die Idee gekommen, ohne komplettes Make-up und sorgfältig aufeinander abgestimmte Accessoires auch nur ihren Bunsenbrenner einzuschalten.
    Tate war groß, schlank und hatte ihr glattes Haar in letzter Zeit bis auf die Schultern wachsen lassen. Auf Kosmetik verwendete sie wenig Mühe und musste Lorraines vernichtendem Urteil zustimmen, dass sie in Sachen Mode gänzlich unbedarft durchs Leben ging.
    Es kam ihr gar nicht in den Sinn, beim Verlassen der Kabine einen Blick in den großen Spiegel zu werfen, den Lorraine an der Tür angebracht hatte.
    Tate wandte sich nach links und steuerte auf die Metalltreppe zu, die zum nächsten Deck führte. Das Poltern und Schnaufen über ihr ließ sie lächeln.
    »Hey, Dart.«
    »Hey.« Mit gerötetem Gesicht erreichte Dart den Fuß der Treppe. Sein rundlicher Körper erinnerte an einen übergewichtigen Bernhardiner, und sein schütteres, sandbraunes Haar fiel ihm in die treuherzigen braunen Augen. Sobald er

Weitere Kostenlose Bücher