Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
Barlow.
»Ich verstehe. Sie sollen glauben, ihr Geheimdienst könne sich in Sicherheit wiegen.«
»Und finden Sie heraus, wie es zum Teufel möglich ist, dass ein Mensch keinen Tropfen Blut mehr im Leib hat.«
John nickte. Er hatte Barlow noch nie so erregt gesehen. »Die blutleeren Leichen – sie wurden in England gefunden, richtig?«
Barlow zuckte zusammen. »Was wissen Sie darüber?«
»Es war nur eine Vermutung«, murmelte John.
»In Dover«, sagte Barlow. Sein knapper Ton ließ keine weiteren Fragen zu. »Machen Sie sich jetzt auf den Weg nach Paris.«
John hatte nach seinem Hut gegriffen und war gegangen, bevor Barlow seine Meinung doch noch ändern würde.
Und jetzt war er hier, ein Attentäter an Bord eines schnellen Schiffs auf dem Weg nach Le Havre. Er würde nicht Informationen nachjagen, würde keine Dokumente stehlen, keine Quellen vergiften. Barlow hatte ihm aufgetragen, diese Frau zu töten oder ihren Ehemann, sollte sich herausstellen, dass er die gesuchte Person war. Es war nicht zwingend erforderlich, dass John sie zuvor einer Befragung unterzog. Immerhin hatte er noch so viel Ehre im Leib, dass er sich weigerte, eine Frau zu foltern. Es blieb also nur Mord übrig.
Das war nicht das, was er sich vorgestellt hatte, als er beschlossen hatte, seinem Land zu dienen und etwas aus seinem Leben zu machen. Aber dieser Mord war notwendig. Er tat immer das, was notwendig war. Er sollte sich darauf konzentrieren, lebendig zurückzukommen. Diese verdammten Franzosen schienen alles zu wissen.
Seine Gedanken kehrten, ohne dass er es wollte, zu Beatrix Lisse zurück. Er fühlte sich noch immer von ihrem Liebesspiel mitgenommen, sowohl physisch als auch emotional. Fast konnte er ihren geschmeidigen Körper, der sich auf ihm und unter ihm bewegte, noch spüren. John kehrte der Reling den Rücken zu, gerade als das Schiff sich in die auffrischende Brise legte. Er wurde gegen die Takelage gedrückt und hielt sich mit einer Hand an den Stricken fest, bis er wieder sicher auf den Beinen stand.
Es war am besten so, dass es mit Beatrix auf diese Weise zu Ende gegangen war. Seine Verbundenheit gehörte Barlow und Whitehall. Er musste sich seine Leidenschaft für den Hass auf Bonaparte aufheben, musste seine Aufmerksamkeit der Erfüllung seiner Mission widmen. Es konnte gut seine letzte sein. Er hatte keine Zeit, irgendeiner Frau nachzuweinen, die er für ein Mysterium hielt. Ein Mysterium? Ihre Seele war ein offenes Buch. Sie war wie jede andere Frau des Gunstgewerbes. Es war lediglich seine Sehnsucht danach gewesen, ihr etwas zu bedeuten, die dieses Mysterium geschaffen hatte.
Nun, er würde diese Enttäuschung in Arbeit ersticken.
Bis Le Havre waren es nur noch ein paar Stunden.
Nahe der Hauptstraße, die durch Hounslow Heath führte, trat Beatrix aus der sie umwirbelnden Dunkelheit. Kutschen hielten an, wenn eine Frau allein auf der Straße ging. Oder es kam ein einzelner Reiter auf dem Rückweg nach London vorbei. Sie war hungrig und nicht in der Stimmung, sich selbst zu verleugnen, aber sie konnte auch nicht noch eine Nacht voller Schmeicheleien ertragen, nur um ihre Bedürfnisse zu befriedigen. Der Mond hing wie ein schiefer Splitter am Himmel, der lässig auf die Welt heruntergrinste. Die Bäume, deren Kronen die Schotterstraße überspannten, schenkten Beatrix Dunkelheit. Sie würde sich heute Nacht sättigen, denn wenn sie es nicht tat, würde ihr Symington einen weiteren jungen Bewerber als Diener, den sie nicht brauchte, bringen müssen, und wenn sie sich weiter Langleys wegen grämte, hatte dieser Bastard gewonnen. Zumindest hier konnte sie allein sein. Sie fühlte sich, als würde sie sich an einen letzten Fetzen ihrer selbst klammern und die Wut auf ihn dazu benutzen, Schlimmeres zu verhindern.
Sie nahm jemanden wahr, der sich auch in den Schatten hielt, wenn auch ein Stück weit entfernt auf der Straße. Hufschlag war im hohen Gras des Seitenstreifens zu hören. Dort – eine Gestalt zu Pferde. Ah, welch eine Seltenheit. Die Patrouillen hatten fast alle Wegelagerer vertrieben. Fast alle.
Lautlos bewegte sich Beatrix durch die Nacht. Ein Gedanke, und das Pferd des Mannes beruhigte sich. Als er sich umwandte, war ihr Blut in Wallung, ihr Gefährte drängte durch ihre Adern, ihre Augen glühten rot. Der Mann griff nach seiner Pistole, aber es war zu spät. Er war ihr bereits zu Willen. Sie veranlasste ihn, abzusteigen und zu ihr zu kommen. Dann packte sie ihn am Nacken. Sie ließ nicht zu, dass
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