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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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Berichte über die Farm abzuliefern.«
    »Wie ist er?«
    Ethan hörte das leise Misstrauen in ihrer Stimme. »Victoria vertraut ihm, und sie kennt ihn besser als irgendjemand sonst.«
    »Ferris hat auch von ihrem schwindenden Augenlicht gesprochen. Glauben Sie, es handelt sich um ein ernsteres Problem?«
    »Da bin ich mir nicht sicher. Um ehrlich zu sein, habe ich sie selbst länger nicht gesehen, sondern immer nur mit Tadd oder Nerida gesprochen, wenn ich da war. Während der vergangenen Monate bin ich meist nur sehr kurz zu Hause gewesen, was sonst ungewöhnlich ist.«
    »Wo war meine Tante, wenn Sie sie besuchen wollten?«
    »Tadd meinte, sie schliefe. Sie legt sich meist nachmittags ein wenig hin.«
    Tara fragte sich, warum Victoria ihre Augen nicht hatte untersuchen lassen. Vielleicht brauchte sie auch nur eine Brille! Plötzlich fühlte sie, wie eine schreckliche Ahnung in ihr aufstieg, dass irgendetwas nicht stimmte, und ihre Ungeduld wuchs.
    »Was ist das?«, fragte Tara am nächsten Morgen und deutete nach Westen. Es war noch früh, und sie ritten auf Tambora zu, als plötzlich vor dem Horizont eine rote Staubwolke aufstieg und sich auf sie zuzubewegen schien. Tara hielt es für ein Unwetter und machte sich der Kinder wegen Sorgen.
    »Aus dieser Entfernung ist es schwer zu entscheiden, ob es Rinder oder Schafe sind, aber es ist jedenfalls ziemlich sicher eine Herde in Bewegung«, gab Ethan zurück.
    Tara stieß überrascht den Atem aus. »Ist das alles?«
    »Für was haben Sie es denn gehalten?«
    »Ich ... ich hatte keine Ahnung – vielleicht für einen Tornado?«
    »Sie meinen einen ›Willy-willy!‹«
    »Was in aller Welt ist das?«
    »Ein Wirbelwind, der den Staub in riesigen Säulen über das Land treibt. Manchmal sind sie mehr als fünfzig Meter hoch. Sie tragen wertvolle Bodenkrume ab, aber sonst verursachen sie meist wenig Schaden an Menschen und Gebäuden.«
    Tara erinnerte sich, eine weniger beeindruckende Erscheinung dieser Art aus dem Zugfenster heraus beobachtet zu haben, und außerdem hatte sie in der Nähe von Lotties Haus einen solchen Luftwirbel gesehen.
    Eine Stunde später trafen sie kaum eine halbe Meile von Tambora entfernt auf die Herde, und Tara lernte Nugget kennen, einen eingeborenen Viehtreiber, der für ihre Tante arbeitete. Ethan und Nugget begrüßten sich sehr herzlich und tauschten dann Neuigkeiten über die Kamele aus. Aus ihrer kurzen Unterhaltung schloss Tara, dass Nugget sich während Ethans Abwesenheit um die Kamele kümmerte.
    Ihr fiel ein, dass sie im Wombat-Creek-Hotel ein Foto vonNugget gesehen hatte. Er wirkte auf sie wie ein bescheidener, umgänglicher Mensch mit einer sehr praktischen Lebenseinstellung. In seiner abgewetzten Lederhose, seinem weiten Hemd mit aufgerollten Ärmeln, staubigen Stiefeln und einem Hut mit aufgenähten Krokodilzähnen auf der breiten Krempe, die seine Augen teilweise verbarg, schien er genau in diese unwirtliche Landschaft zu passen. Tara versuchte, aus dem Wenigen, was sie von ihm sah, sein Alter zu erraten, sah den mehrere Tage nicht rasierten, schon von grauen Strähnen durchzogenen Bart, die glatten Wangen und die tiefen Falten um die lachenden Augen und schätzte ihn auf etwa fünfzig Jahre. Er saß im Sattel, als habe er sein ganzes Leben darin zugebracht.
    »Nugget«, sagte Ethan, »das hier ist Victorias Nichte Tara.«
    Nugget legte grüßend eine Hand an den Hut. »Sehr erfreut, Missus. Das wird aber eine große Überraschung!« Sein breites Lächeln ließ im Oberkiefer eine Zahnlücke sichtbar werden, wo ihm zwei Schneidezähne fehlten. Das erklärte auch sein leichtes Lispeln. Tara mochte ihn sofort.
    »Ich habe einige Ihrer Bilder gesehen – sie sind sehr gut. Wo haben Sie malen gelernt?«
    Nuggets Augen leuchteten vor Stolz. »Mein Vater war einer der Besten, Missus. Er hat es mir gezeigt, als ich noch ganz klein war.«
    »Das hier sind Hannah und Jack«, erklärte Tara und deutete auf die Kinder.
    Nugget grinste sie freundlich an. »Viel Spaß hier für euch Winzlinge«, meinte er. »Vielleicht kann ich euch beibringen, wie man einen Bumerang wirft – na, Junge, ist das was?«
    »Was ist denn ein Bumerang?«, fragte Jack unsicher.
    »Eine Waffe, die die Aborigines zum Jagen verwenden«, sagte Ethan.
    »Kann den Kopf von so einem Känguru abschlagen«, ergänzte Nugget noch immer grinsend. Als er Jacks Stirnrunzeln sah, beeilte er sich hinzuzufügen: »Ein Bumerang ist ein flaches,gebogenes Holzstück. Du wirfst es von dir

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