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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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weg, und es kommt zu dir zurück.«
    Jacks Miene hellte sich auf. »Das würde ich gern sehen – aber nicht, wie einem Känguru der Kopf abgeschlagen wird.«
    Nugget lachte. »Die geben aber schöne Pelze, Junge.«
    »Wo ist Tadd Sweeney?«, fragte Ethan den Viehtreiber, denn er konnte den Verwalter bei der Herde nirgends entdecken.
    »Irgendwo beim Haus«, gab Nugget ausdruckslos zurück. »Sitzt bestimmt im Schatten.« Ethan hatte schon oft den Eindruck gehabt, Tadd sei faul. Er spielte gern den Boss und gab Anweisungen, ohne selbst etwas zu tun.
    »Gehe besser wieder an die Arbeit«, meinte Nugget. »Muss die Schafe auf die Weide am Haus treiben. Drüben im Westen kein Futter – die verdammten Heuschrecken haben alles abgefressen. Sie kommen hier herüber – wird eine Menge mehr Schafe zu versorgen geben, bevor die Woche zu Ende ist!«
    »Heuschrecken?«, meinte Tara verständnislos.
    »Im Westen hat es Regen gegeben«, erklärte Ethan. »Beste Bedingungen für Heuschrecken. Sie fressen alle jungen Triebe ab und lassen nichts für die Rinder und Schafe übrig. Immerhin können sich die Schlangen und Eidechsen auf eine gute Heuschreckenmahlzeit freuen.«
    Als sie in weitem Bogen um die Herde herumritten, um der erstickenden Staubwolke auszuweichen, sah Tara, dass noch mindestens drei andere Viehtreiber die Schafe mit der Hilfe von vier Hunden zusammenhielten. Zwei der Hunde waren vom selben rötlichen Braun wie die Wüste, die anderen schwarz-weiße Collies, die ihre Aufgabe souverän meisterten.
    »Die rotbraunen sind Kelpies, man benutzt sie vor allem für Rinder«, erklärte Ethan. »Einige der allerersten Einwanderer haben Schottische Collies mitgebracht, die mit Dingos gekreuzt wurden. Die anderen kennen Sie vielleicht als ›Border-Collies‹; sie kommen ursprünglich aus dem Grenzgebiet zwischen England und Schottland. Fergus, der größere der beiden, ist einpreisgekrönter Zuchtrüde, und fast alle Collies im Umkreis von ein paar hundert Meilen stammen von ihm ab. Ihn bei der Arbeit mit Schafen zu beobachten, ist ein wahrer Genuss!«
    Nachdem sie die Herde und die Staubwolken hinter sich gelassen hatten, erkundigte Tara sich bei Ethan, was denn mit der Schafwolle geschehe. Er erklärte ihr, die Wollballen würden meist auf Kamelen nach Wombat Creek transportiert, wo sie in den Zug nach Port Adelaide umgeladen und dann exportiert wurden. Doch durch die Wirtschaftskrise war Wolle fast nichts mehr wert, und es lohnte kaum noch, sie irgendwohin zu transportieren.
    Als die Kamele zwischen den Bäumen in der Nähe des Hauses in die Knie gingen, fühlte Tara, wie die Aufregung sie fast überwältigte.
    »Ich gehe nachsehen, ob ich Nerida, das Hausmädchen, finde«, sagte Ethan, dem ihre Nervosität nicht entgangen war. Doch er hatte es kaum ausgesprochen, da erschien auf der vorderen Veranda ein Mädchen mit einem Staubwedel in der Hand. Nerida war eine blutjunge Aborigine, wahrscheinlich nicht älter als sechzehn Jahre. Als Ethan Tara und die Kinder zu der schattigen Terrasse führte, deren Boden mit Mosaiken ausgelegt war, konnte Tara erkennen, dass Nerida den ein wenig ungelenken Körper eines pubertierenden Teenagers hatte. Ein weites Baumwollkleid bedeckte ihren Körper bis auf die langen, dünnen Beine. Ihre nackten Füße waren ungewöhnlich groß. Ein bunter Schal hielt ihre dunkle, wilde Haarmähne zusammen, und ihre Augen blickten klar und offen in die Welt, ein auffälliger Kontrast zu ihrem sonst eher ein wenig schüchternen und zurückhaltenden Benehmen.
    »Nerida«, erklärte Ethan, »das hier ist Victorias Nichte, Tara Flynn.«
    Neridas ohnehin schon große Augen wurden noch größer, und sie wischte sich verlegen den Schweiß von der Stirn. Zu Taras Überraschung machte sie einen altmodischen Knicks. »Willkommen in Tambora, Missus Flynn«, sagte sie leise.
    »Bitte nenn mich Tara, Nerida – und vielen Dank! Du brauchst nicht zu knicksen – schließlich bin ich nicht die Königin!« Kaum hatte sie es ausgesprochen, als ihr Elisas Worte einfielen: »Du hast edles Zigeunerblut in dir ...« Sie erschauderte leicht, als sei ihr kalt.
    Nerida wirkte höchst verlegen. »Ja, Missus.« Sie senkte den Kopf. Entweder war sie extrem schüchtern, oder es kamen sehr wenige Besucher nach Tambora.
    »Ich bin sehr glücklich, hier zu sein«, fuhr Tara fort. »Ich hoffe nur, dass meine Tante sich freut, mich so überraschend hier zu sehen.«
    »Sie sehr gut überrascht«, gab Nerida zurück. »Missus Victoria

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