Der Ruf des Abendvogels Roman
schlichte, einreihige Perlenkette. Daraufhin entschied sie, dass Elsa ›nett‹ aussah, jedoch im Outback in dieser Aufmachung etwas fehl am Platze wirkte. Sie änderte ihre Meinung jedoch rasch, als sie die elegante, geflieste Eingangshalle des Hauses durchschritt. Tambora war großartig, und Elsa die perfekte Herrin eines solchen Besitzes.
»Oh, was für ein wunderschönes Haus, Mrs. Killain«, rief Blythe ehrlich überwältigt aus. Sie hatte noch niemals etwas Ähnliches gesehen: die Fliesen, die ihr Bild spiegelten, die glänzenden hölzernen Treppen und Möbel, die blitzenden Spiegel und Fenster und die Kühle vermittelnden Palmen in den riesigen Töpfen.
»Danke – wir finden es auch recht ... bequem. Kommen Sie doch ins Wohnzimmer und setzen Sie sich. Ich lasse unser Hausmädchen etwas Kühles zu trinken holen. Oder würden Sie eine Tasse Tee vorziehen?«
»Tee wäre wunderbar, nicht wahr, Herbert?«
»Ja, ja, Tee ist genau das Richtige. Die Fahrt hier heraus war gelinde gesagt haarsträubend – unser Fahrer scheint seit gestern Abend nicht mehr nüchtern geworden zu sein.« Seine Brillehüpfte auf seiner Nase auf und ab, während er sich mit einem Taschentuch den Schweiß vom Hals tupfte.
Elsa hatte nicht das Herz, ihm zu sagen, dass Rex immer wie ein Verrückter fuhr. Stattdessen sagte sie entschuldigend: »In einem so kleinen Ort wie Wombat Creek ist eine Geburt immer ein großes Ereignis. Ich bin froh, dass wir einen so gut funktionierenden Postdienst haben – Rex bringt uns alles sehr zuverlässig hier heraus.«
Die Besucher wirkten wenig beeindruckt, weshalb Elsa Nerida rief. Kurz darauf hörten sie das Echo ihrer klappernden Absätze auf den Fliesen in der Eingangshalle.
Blythe und Herbert wandten sich erwartungsvoll der Wohnzimmertür zu, als Nerida hereinkam. Doch zu Elsas Schrecken blieb sie mit zueinander gedrehten Fußspitzen stehen und sah aus, als sei ihr speiübel.
»Nerida, würden Sie uns bitte Tee und etwas von Sanjas Gebäck bringen?«, bat Elsa ausgesucht höflich.
»Ja, Missus.« Nerida machte einen ihrer seltsamen Knickse, wandte sich um und lief klappernd den Flur entlang.
Ein paar Minuten später – Elsa und die Besucher überlegten gerade, wie viele Zimmer benötigt wurden, um zwölf Kinder unterzubringen – hörten sie einen lauten Krach. Elsa entschuldigte sich, ging nachsehen und stellte fest, dass Nerida das Tablett mit dem Tee im Flur vor der Küchentür fallen gelassen hatte. Tee, Zucker und Milch waren an die Wände und auf den Boden gespritzt, und Sanjas köstliche Kekse lagen zerkrümelt zwischen den Scherben von Victorias feinem chinesischen Teeservice.
»Mädchen kann in Schuhen nicht laufen!«, bemerkte Sanja vorwurfsvoll, während er hastig den Schaden beseitigte und Nerida verzweifelt vor sich hin schluchzte.
»Himmelherrgott«, rief Elsa. »Reißen Sie sich zusammen, Nerida, und bringen Sie neuen Tee! Ich zeige inzwischen unseren Gästen das obere Stockwerk.«
»Warum sind hier, Missus Killain?«, fragte Sanja, der zu dem Schluss gekommen war, dass es sich nicht um normale Gäste handeln konnte.
»Wenn sie das Haus geeignet finden, möchte Victoria Waisenkinder aufnehmen, ich glaube, es waren zwölf.«
Sanja richtete sich alarmiert auf. »Wer kocht für all diese Kinder?«
»Sie natürlich, Sanja.«
»Sanja nicht kochen für so viele Kinder. Zu viel Arbeit!«, entgegnete der Koch energisch.
Elsa kämpfte den Impuls nieder, ihren Ärger laut herauszuschreien, und dachte blitzschnell nach. »Die Regierung bezahlt gut, Sanja, und das bedeutet, dass du wieder Lohn bekommen würdest – gutes Geld. Ich würde Victoria bitten, dein Gehalt zu erhöhen – um wie viel du willst, solange es maßvoll bleibt.«
Sanja überlegte einen Moment, um dann lächelnd zu nicken. »Kochen für Kinder kann nicht schwer sein – Kinder essen alles.«
Elsa spürte, dass er mit ihr gespielt hatte, doch jetzt war nicht die Zeit, sich damit zu befassen.
Als sie später mit den beiden Beamten die Treppe hinaufging, blieb Blythe auf dem Treppenabsatz stehen. »Wenn die Unterlagen korrekt sind, die man uns gegeben hat, Mrs. Killain, dann sind Sie und Mrs. Milburne Witwen. Ist das richtig?«
»Ja, das stimmt.«
»Ich fürchte, dann muss ich Ihnen sagen, dass Sie als Alleinstehende im Nachteil sind.«
»Pardon, wie darf ich das verstehen?«
»Mindestens die Hälfte der Kinder, die wir unterbringen möchten, sind Jungen – und zwar sehr wilde Jungen. Sie brauchen einen
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