Der Ruf des Abendvogels Roman
Tage alte Zeitung aus Adelaide, die Ethan ihnen dagelassen hatte.
»Es ist schon gut, Sorrel. Ich hätte wissen müssen, dass daran nichts zu ändern ist, besonders da ich die Kinder illegal mitgenommen habe. Ich habe schon mit meiner Tante darüber gesprochen, aber meine Möglichkeiten sind begrenzt. Wenn ich Kontakt mir der leiblichen Tante der Kinder in Irland aufnehme, riskiere ich, dass sie die Kinder zu sich nehmen möchte. Aber ich weiß, dass Jack sie hasst, und Maureen hat mir erzählt, sie sei eine furchtbar schlechte Mutter. Und auch wenn Moyna die Kinder nicht möchte, würden die Behörden sie mir fortnehmen und in ein Heim stecken. Also lasse ich erst einmal alles, wie es ist. Ich hoffe nur, dass Jack das verstehen wird – ich habe ihm bisher noch nichts gesagt.«
»Wo sind eigentlich Victoria und Elsa? Ich habe sie heute Morgen noch gar nicht gesehen.«
»Als ich sie zuletzt sah, waren sie oben und kicherten wie Schulmädchen über den Plänen für ein Kostümfest.«
»Oh Himmel, nein!«, stöhnte Sorrel. »Sie werden mich nicht in so ein furchtbares Kostüm zwängen!«
»Ich würde mir darüber keine Gedanken machen, Sorrel – es sind ja keine anderen Gäste da, die uns sehen.«
»Hat Victoria mittlerweile herausgefunden, warum die Scherer nicht gekommen sind?«
Tara seufzte. »Eine Frau aus der Stadt hat uns gestern spätabends über Funk berichtet, dass sie im Wombat-Creek-Hotel waren. Sie will sich heute Abend noch einmal melden, wenn sie herausfinden kann, warum sie nicht hergekommen sind.«
»Vielleicht haben die Leute in der Stadt sie irgendwie beeinflusst.«
»Das ist möglich – aber der Wirt des Hotels hat Tante Victoria gesagt, dass sie die Stadt verlassen hätten, um nach Tambora zu reiten. Wenn die Leute in der Stadt sie beeinflusst hätten, wären sie doch gar nicht erst aufgebrochen. Ich frage mich, ob Tadd sie fortgeschickt hat – das würde ich ihm durchaus zutrauen.«
»Und warum sollte er das tun?«
»Ich weiß, es klingt weit hergeholt, aber nichts von dem, was er bisher getan hat, war in Tante Victorias Interesse, auch wenn er immer das Gegenteil behauptet.«
Plötzlich wurde die Hintertür so heftig aufgestoßen, dass sie krachend gegen die Wand schlug. Dann hörte Tara Jack schluchzen. Sie eilte in den Flur, wo Jack fast hysterisch auf sie zu lief.
»Was ist passiert, Jack?«
Der Junge konnte kaum sprechen. »Es ist ... Mellie. Ich glaube, sie ist ... tot.«
32
O h Mellie!«, flüsterte Tara und kämpfte selbst gegen die Tränen an. Sie kniete im Staub neben Mellies reglosem Körper. Die Augen der Hündin waren offen und starr, ebenso wie ihre Schnauze. Ameisen hatten begonnen, auf ihr herumzukriechen, und Buschfliegen schwirrten um sie herum. Tara ahnte instinktiv, dass sie einen schrecklichen Tod gehabt hatte.
»Eine Schlange muss sie gebissen haben«, sagte sie zu Jack.
»Nein!«, rief der Junge so heftig, dass sie erschrak. »Mellie war viel zu schnell für die Schlangen. Tadd hat sie umgebracht.«
Entsetzt über seine Worte fragte sie: »Warum glaubst du das, Jack?«
Jack begann erneut zu schluchzen. »Er hat ... versucht, sie zu sich ... zu rufen, aber sie hat nicht auf ihn ... gehört. Sie wollte lieber bei mir bleiben.«
»Ich verstehe nicht ganz – wann war das?«
»Gestern Abend. Mellie wollte nicht im Zwinger eingesperrt werden, weil sie so gern neben meinem Bett schläft. Tadd hat sie so ... böse angestarrt – ich wusste, dass er ihr etwas Schreckliches antut!« Er barg sein Gesicht in den Händen, und sein ganzer Körper wurde von Schluchzen geschüttelt. Tara brach es fast das Herz, ihn so zu sehen.
»Ich wünschte, ich wäre schon ein Mann!«, stieß Jack verzweifelt hervor. »Dann würde ich Tadd auch etwas Schreckliches tun!«
Tara hob Mellie auf und trug sie zur Terrasse, wo Nerida im Schatten stand. »Können Sie etwas holen, um sie zuzudecken,Nerida?«, bat sie und legte die Hündin auf ein Korbsofa. Dann strich sie der toten Mellie durch das Fell an Schnauze und Augen, um die Ameisen fortzuwischen.
Jack kniete neben Mellie und streichelte weinend ihr schwarz-weißes Fell. Sein verstörter Blick tat Tara im Herzen weh – er hatte in seinem kurzen Leben schon so viel verloren, und Mellie war seine ständige Begleiterin und Freundin gewesen. Die Welpen, die jetzt drei Monate alt waren, begannen, an ihrer Mutter zu schnuppern. Dann ließen sich die beiden Rüden, Rusty und Duke, verwirrt neben dem reglosen Körper nieder, und
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