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Der Ruf des Abendvogels Roman

Titel: Der Ruf des Abendvogels Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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als vielen anderen«, gab Sorrel trocken zurück.
    Die Frau stutzte, und ihr liebenswürdiges Lächeln erstarrte für einen Moment. »So ist es gut, meine Liebe«, sagte sie dann. »Zuversicht und positives Denken helfen, die Lebensgeister wieder zu wecken.«
    Tara sah förmlich, wie diese herablassenden, aber gut gemeinten Worte Sorrel aufbrachten.
    »Ich heiße Ruby Ashton«, fuhr die Frau fort und stellte diePakete mit der Kleidung vor sich auf dem Boden ab. Nach einem Blick auf die Kinder wandte sie sich ihrer Liste zu, und als sie den Kopf hob, war es Jack, den sie ansah.
    »Wie heißt du, junger Mann?«
    »Jack O’Sullivan«, gab er zurück und wurde plötzlich blass.
    »Ich würde sagen, du musst ungefähr neun oder zehn Jahre alt sein, ist das richtig?«
    »Ja, Madam – ich bin zehn.«
    Tara drückte seine Hand, um ihm zu verstehen zu geben, dass er seine Sache sehr gut machte. Ruby Ashton schaute wieder in ihre Liste. »Und diese kleine Schlafmütze ist dann sicher Hannah, deine Schwester, nicht wahr?«
    Jack nickte. »Sie ist drei.«
    Tara war erleichtert, dass Hannah schlief – denn wäre sie wach gewesen, hätte sie vielleicht nach ihrer richtigen Mutter gerufen.
    Ruby nahm zwei der Pakete von dem Stapel vor ihnen und prüfte durch einen raschen Blick auf die Aufschriften, ob der Inhalt zum Alter der Kinder passte. Die Pakete enthielten Kleidung und einige Dinge des täglichen Gebrauchs, Seife, Kämme, Unterwäsche und so weiter.
    »Ich fürchte, es sind keine Spielsachen dabei«, meinte sie, während sie sich Tara zuwandte. »Sind Sie die Mutter der Kinder?«
    Tara warf Jack einen eindringlichen Blick zu und zwang sich zu einem schwachen Lächeln. Sie bemühte sich, wie Sorrel sehr gerade zu sitzen und deren vornehme Haltung nachzuahmen. »Ja«, erwiderte sie ein wenig zaghaft. »Ich bin ... Maureen O’Sullivan.«
    »Ist Ihr Mann unter den Überlebenden?«
    Tara schüttelte den Kopf und kämpfte gegen echte Tränen an. Sie sah, wie Jack hastig zu Boden blickte.
    Ruby Ashton wirkte plötzlich verlegen. »Es tut mir Leid, aber ich ... ich muss das fragen. Ich fürchte, Sie müssen ...« Sie blickte auf Jack, bevor sie leise fortfuhr: »Hat Sie schon jemand hinter das Gerichtsgebäude begleitet?«
    Tara wusste, dass sie von dem improvisiertenLeichenschauhaus sprach, wo Verwandte und Freunde die Toten identifizieren mussten. Ihr Herz begann wie wild zu schlagen, und auf ihrer Stirn bildete sich ein feiner Schweißfilm.
    »Nein – aber ich kann es jetzt tun, wenn Sie möchten.« Ihr grauste zwar vor dieser Aufgabe, aber wenn sie die Kinder behalten wollte, gab es keinen Weg daran vorbei. Wieder sah sie Jack eindringlich an und tätschelte ihm ermutigend die Hand. »Bleib bei deiner Schwester, mein Sohn!«
    Er nickte nur stumm.
    Als Tara sich Sorrel zuwandte, spürte die alte Frau deutlich ihre Nervosität.
    »Ich passe schon auf Ihre Kinder auf, Mrs. O’Sullivan«, erklärte sie ruhig. »Tun Sie, was Sie tun müssen – wir kommen hier so lange gut zurecht!«
    »Danke, Mrs. Windspear!«
    Während Tara mit Ruby Ashton davonging, sagte sie beiläufig: »Die Frau, mit der ich meine Kabine geteilt habe, ist auch unter den Toten. Soll ich sie identifizieren? Sie hat niemand anderen hier.«
    »Das wäre sehr freundlich von Ihnen«, erwiderte Ruby. »Ich weiß, es ist nicht leicht, aber irgendjemand muss es schließlich tun. Nur bei den Wohlhabenderen gibt es zahnärztliche Röntgenbilder oder Berichte, bei den anderen müssten wir auf Verwandte aus Irland oder England warten oder persönliche Gegenstände zu identifizieren versuchen, wie zum Beispiel Ringe. Aber da es mitten in der Nacht war ...« Sie zuckte mit den Schultern.
    Tara warf einen Blick zurück. Jack sah ihr nach, und seine Miene spiegelte dieselbe Mischung verwirrender Gefühle, die auch sie selbst erfüllte.
    Als man Tara etwas später an langen Reihen von Toten entlangführte, von denen einige nur noch schwer als menschliche Leichname zu erkennen waren, wäre sie beinahe ohnmächtig geworden. Die Toten lagen unter freiem Himmel, die Hitze war nahezuunerträglich und der Leichengeruch bereits unbeschreiblich. Sie war sicher, dass sie diese Minuten niemals in ihrem Leben würde vergessen können, und begriff, wie unvorbereitet sie auf das war, was vor ihr lag.
    Ein Gerichtsmediziner und ein Pathologe sorgten für den Abtransport der schon identifizierten Leichen zum städtischen Leichenschauhaus, wo eine Autopsie vorgenommen wurde. Allerdings

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