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Der Ruf des Kolibris

Der Ruf des Kolibris

Titel: Der Ruf des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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zukommen zu lassen. Halbe Nächte brachte ich damit zu, davon zu träumen, dass all meine Freundinnen, fremde Menschen, ja das gesamte Schicksal sich darum bemühten, dass Damián und ich uns noch einmal trafen. Wenn es so sein sollte, würde es so sein, sagte ich mir. Ich musste nur Vertrauen haben. Gott schützt die Liebenden. Dann war ich regelrecht high. Aber ebenso oft überfiel mich die Ernüchterung. Wenn ich wollte, dass Damián und ich noch eine Chance bekamen, dann musste ich mich selbst darum kümmern. Daran führte kein Weg vorbei. Schicksal gab es nur in Romanen.
    Als ich Clara bei einem meiner beinahe täglichen Besuche am Spätnachmittag nach der Schule in der Hütte am Wald von den Reiseplänen erzählte, nickte sie nur. Ich fragte sie, ob sie mitkommen wolle, aber sie schüttelte heftig den Kopf. »Vielleicht würde Onkel Tano davon erfahren und dann würde er mich holen kommen.«
    »Wie sollte er davon erfahren?«
    Clara blickte mich ängstlich an. »Ich weiß nicht. Aber die haben Informanten überall. Auch hier in der Stadt.«
    »Wer, die?«
    Clara zuckte mit den Schultern. »Es ist gefährlich, darüber zu reden.«
    »Meinst du die, die auch deine ehemalige Lehrerin gefangen halten, Susanne Schuster?«
    »Vielleicht.«
    Ich merkte, dass Clara sich verkrampfte, und ließ von dem Thema ab, ehe sie einen Asthmaanfall bekam. Ich hatte mittlerweile schon ein paarmal erlebt, dass sie in Atemnot geriet, wenn sie durch irgendetwas an ihren Onkel Tano und die entführte Lehrerin erinnert wurde.
    Ich hatte schon überlegt, meinen Vater zu fragen, ob Asthma irgendwas mit einem Schock zu tun haben konnte, aber leider herrschte derzeit Funkstille zwischen ihm und mir. Also hatte ich das Internet zurate gezogen und gelesen, dass Asthma eher mit Ehrgeiz in Verbindung gebracht wurde. Interessanterweise entstand die Atemnot nicht, weil die Bronchien sich so verengten, dass man nicht mehr einatmen konnte, sondern weil die verengten Bronchien verhinderten, dass man ausatmen konnte. Die Lunge steckte also voller Luft, man wurde sie nur nicht los, weil die Lunge oben den Ausgang dichtmachte.
    Ich hatte mir das vorgestellt. Ich hatte mich gefragt, wie sich Clara wohl fühlte. Das war, als wenn etwas bis zum Platzen gefüllt, aber der Deckel fest verschlossen war. Vermutlich musste Clara dringend etwas loswerden, etwas erzählen, schaffte es aber nicht, weil die Angst ihr die Kehle zuschnürte.
    Ich atmete aus, sammelte Mut und holte Luft. »Wo steckt Damián derzeit eigentlich?«
    Clara blickte mich prüfend an. Es war das erste Mal seit zwei Monaten, dass ich ihren Bruder erwähnte.
    »Und ich dachte schon, du würdest mich nie nach ihm fragen«, sagte sie.
    Ich war überrascht. »Wieso?«
    »Juanita hat mir eingeschärft, zu warten, bis du ihn von dir aus erwähnst.«
    Ich musste lachen. »Was ist das denn für eine Geschichte? Was geht hier ab?«
    Clara lachte auch. »Sie hat gesagt, du müsstest dich entscheiden, für oder gegen ihn. Wenn man verliebt ist, hat sie gesagt, traut man sich nicht, den Namen des Geliebten anderen gegenüber zu nennen. Man muss sich erst seiner Gefühle sicher sein. Dann wird man auch anderen gegenüber seinen Namen aussprechen.«
    Ich lachte erstaunt.
    »Ist es nicht so?« Clara lächelte. »Juanita hat gesagt, der Name müsse reifen. Du wirst ihn aussprechen, entweder wenn mein Bruder dir gleichgültig geworden ist oder wenn ... nun, wenn du bereit bist, dich zu ihm zu bekennen. Dann wirst du mich nach ihm fragen, hat sie gesagt. Aber du hast lange gewartet.«
    »Er hat sich schließlich von mir abgewandt, nicht ich von ihm«, bemerkte ich, leicht verärgert.
    »Was?« Clara riss erstaunt die Augen auf. »Aber nein! Er liebt dich, Jasmin.«
    Mir wurde unvermutet schwindelig. »Woher weißt du das? Hat er es dir gesagt?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Ach so!, dachte ich. »Wieso meinen eigentlich alle, Damián und ich, wir würden uns lieben?«
    Claras Lächeln vertiefte sich.
    »Ja gut«, steigerte ich mich in einen Zorn, den ich selbst nicht verstand. »Wir haben uns geküsst. Oder vielmehr er hat mich geküsst. Ist das schon Liebe? Ja, er sieht total gut aus. Und er findet meine blauen Augen faszinierend. Aber ist das Liebe? Stimmt, wenn er mich fragen würde, ob ich ihn heiraten will, würde ich, ohne zu überlegen, Ja sagen. Aber meine Eltern wären dagegen. Du kennst ihn doch kaum, sagen sie. Und das stimmt: Ich kenne ihn kaum. Ich kenne ihn so gut wie gar nicht. Ich habe keine

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