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Der Ruf des Kolibris

Der Ruf des Kolibris

Titel: Der Ruf des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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ein engagierter Mann. Ich habe vorhin mit ihm gesprochen.«
    »Du hast mit ihm gesprochen?« Ich war leicht alarmiert. »Worüber denn?«
    »Er hat mir erzählt, dass er zur Smaragdmine von Inza reisen möchte.« Ein bitterer Zug huschte über Damiáns schönes Gesicht. »Außerdem möchte er gerne die Gebiete der Indígenas besuchen. Dein Vater wollte von mir wissen, wo medizinische Hilfe am nötigsten ist. Ich habe ihm gesagt: Sie ist eigentlich überall nötig.« Er zögerte.
    »Was ist?«, fragte ich.
    »Du willst es immer ganz genau wissen, hm?«
    Ich nickte.
    »Ich habe deinem Vater abgeraten. Es ist zu gefährlich. Die Mine von Inza gehört Leandro Perea. Das ist ... «
    »Seine Tochter Elena geht mit mir in eine Klasse.«
    Eine steile Falte war zwischen Damiáns Brauen erschienen. »Leandro Perea ist ... wenn du erlaubst, dass ich das sage, der reichste und skrupelloseste Minenbesitzer im Land. Alle Smaragde, die legal ausgeführt werden, stammen aus seinen Minen. Die Guaqueros ...«
    Er sah, dass ich stutzte.
    »So nennt man die Smaragdsucher. Sie leben zu Zehntausenden in Hütten rund um die Mine. Wenn der Schlamm aus der Mine abgelassen wird, dann suchen sie mit bloßen Händen nach Quarz und kleinen Smaragden. Männer, Frauen, ganze Familien, Kinder. Sie alle hoffen auf einen grünen Stein und das große Glück. Von einem winzigen Smaragd kann eine Familie monatelang leben. Aber Leandro Perea verdient jeden Tag eine Million Dollar. Er denkt nicht daran, sein Geld in Schulen oder Krankenhäuser zu investieren. Es ist ein Witz, wenn er deinen Vater einlädt, die Guaqueros einen Tag lang medizinisch zu versorgen. Aber dein Vater sagt, es sei ihm egal. Irgendwo müsse man anfangen. Er ist ein Mann mit vielen Illusionen.«
    »Er ist ein hoffnungsloser Romantiker«, sagte ich lächelnd.
    Damián erwiderte mein Lächeln. »Das kann aber auch gefährlich sein. Er ändert damit nichts, er unterstützt nur das System Perea. Die Menschen, die er an der Mine heilt, werden nicht deinem Vater, sondern Perea dankbar sein, den sie El Gran Guaquero nennen. Sie werden denken: Er ist ein guter Mann. Er schickt uns einen Arzt.«
    Mir wirbelte der Kopf von so viel Politik. »Soll mein Vater deshalb nicht gehen?«
    Damián wandte sich abrupt dem Panoramafenster zu, als könnte er von hieraus seine Heimat sehen, südwestlich hinter der Gebirgskette der Anden gelegen, die man in finsterer Nacht kaum sah. Seine Hand lag auf dem Fensterbrett, schmucklos, von warmen Adern überzogen, mit langen und kräftigen Fingern. Seltsam fremd und zugleich vertraut kam sie mir vor, so bekannt und neu wie dieses Gesicht, das ich jetzt im Profil sah, mit der pulsierenden Ader am Hals über dem steifen Kragen des weißen Hemds mit der Fliege und dem schimmernden Satin des Jackenaufschlags.
    Er holte tief Luft, dann wandte er sich wieder mir zu. Die Hand, die ich eben noch gemustert und dann aus den Augen verloren hatte, schloss sich plötzlich warm um meine Hand.
    »Jasmin«, sagte er. »Ich möchte dich um etwas bitten.«
    »Du kennst meinen Namen?«, unterbrach ich ihn.
    Glück sprudelte in mir empor, plötzlich, gewaltig und überwältigend. Er kannte meinen Namen! Wie lange schon? War es ihm in der zurückliegenden Woche ergangen wie mir, hatte auch er heimlich nach mir Ausschau gehalten, nachdem wir uns im Colegio unversehens wiederbegegnet waren? Meine Hand fühlte sich gut an im warmen Griff der seinen. Behalte sie für immer!, dachte ich und erschrak zutiefst. Für immer? Ja, für immer! Ich war glücklich wie nie zuvor. Unendlich, unsäglich, unbeschreiblich glücklich. Das Glück war ein jubelndes Beben, das mich mit Mut und Kraft erfüllte. Mit einem Schlag öffnete sich mir die Zukunft, weit und groß, auch wenn sie im Dunkeln lag, kompliziert und verwickelt sein würde, abenteuerlich, völlig fremd und ungewiss. Aber das schreckte mich nicht. Ich würde sie angehen. Ich hatte die Kraft dazu.
    »Hör mir zu, Jasmin«, sagte Damián. Mein Glück geriet ins Zittern. Er war seltsam ernst, er lächelte nicht.
    »Ich höre!«, antwortete ich. Ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme vor Übermut und Glück flatterte, und vielleicht auch ein wenig aus Angst vor dem, was er mir sagen würde. Es würde entscheidend sein für unsere Zukunft, das wusste ich. »Was ist?«
    Er stöhnte: »Jasmin, Jasmin!«
    Vielleicht zuckte meine Hand in seiner, vielleicht zog ich unbewusst seine Hand zu mir an meine Brust, vielleicht aber war es auch

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