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Der Ruf des Kolibris

Der Ruf des Kolibris

Titel: Der Ruf des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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ist Deutsche und in Düsseldorf geboren. Doch sie hat Deutschland mit fünf Jahren verlassen.«
    Mein Vater machte immer nur »Hm«.
    Ich hörte nicht hin. Ich fragte mich, wo Damián jetzt war. Schon zu Hause? Lebte er wirklich bei der alten Frau im Haus am Wald, der Wunderheilerin? Ich war nicht dazu gekommen, ihn zu fragen, welche Beziehung er zu dieser Frau hatte. Es gab so vieles, was ich ihn in der kurzen Zeit nicht hatte fragen können. Wir mussten uns wiedersehen! Wir würden uns wiedersehen. Am Montag in der Schule. Ich begann zu träumen. Aber meine Mutter machte dann alles kaputt mit ihren Fragen. Zuverlässig wie ein Zirkel zum Ausgangspunkt des Kreises kam sie auf das Thema zurück, als wir durch die nächtliche Anlage von El Rubí gingen, die Damián jedes Wochenende pflegte, vermutlich um sich Geld für sein Studium zu verdienen.
    »Und dieser Damián«, begann sie. »Der soll ja auch als Hausmeister im Colegio Bogotano arbeiten. Stimmt das, Jasmin?«
    Es klang wie ein Vorwurf. Dabei hatte ich ihn nicht eingestellt. Was wollte sie überhaupt?
    »Hat es im Colegio nicht auch Ende letzten Jahres einen Einbruch gegeben?«, fragte sie weiter.
    Was hieß hier »auch«? Ich biss die Zähne zusammen. Lieber nichts sagen. Vielleicht ging es so vorbei. Ich sehnte mich nach dem Bett. Ich hatte so viel zu durchdenken!
    »Elenas Mutter hat mir erzählt«, fuhr Mama unerbittlich fort, als wir im Fahrstuhl hochfuhren, »dass Diebesbanden immer wieder ihre Leute in Reinigungsfirmen und Hausverwaltungen einschleusen, die dann auskundschaften, wo es was zu holen gibt.«
    »Aber doch nicht Damián!«, entfuhr es mir. »Nicht alle Indios sind Diebe!«
    »Das hat auch niemand gesagt, Jasmin!«, antwortete meine Mutter. »Du sollst nicht immer alles so interpretieren, wie es dir gerade passt.«
    Meine Sicherungen begannen durchzuschmoren. »Aber ihr verdächtigt Damián völlig grundlos«, ereiferte ich mich wider Willen.
    »So? Grundlos? Das scheint mir gerade in diesem Fall nicht so zu sein«, bemerkte meine Mutter, während mein Vater die Wohnungstür aufschloss und uns eintreten ließ.
    »Ihr kennt ihn doch gar nicht!« Beinahe hätte ich geschrien. Es war so ungerecht! Mussten sie mir mit ihrem Gemäkel und Kritisieren alles kaputtmachen, was an diesem Abend schön gewesen war?
    »Aber du kennst ihn offensichtlich«, sagte Mama.
    »Ja! Und ich finde es voll ungerecht, dass ihr an ihm herumkritisiert, obwohl ihr ihn gar nicht kennt.«
    »Was regst du dich denn so auf, Jasmin?« Lächelnd stand meine Mutter vor mir, als wollte sie im nächsten Moment sagen: »Du hast dich doch nicht in diesen Gärtner verknallt! Sei nicht kindisch, Jasmin!« Aber sie sagte es nicht. Sie sah nur so aus. Oder ich fühlte mich so: kindisch und übermüdet!
    Stattdessen sagte sie: »Was interessiert dich denn dieser Gärtner?«
    In mir knallte eine Sicherung durch. »Dieser Gärtner hat einen Namen. Er heißt Damián Dagua, er studiert an der Uni Ökonomie. Und ich ...« Ich konnte mich nicht mehr bremsen: »Ich liebe ihn!«
    Mama lachte auf. »Sei nicht kindisch, Jasmin! Was redest du da für einen Unsinn.«
    »Das ist kein Unsinn!«, schrie ich. »Und damit ihr es wisst: Ich werde ihn heiraten ...« Verdammt, was redete ich da? »Wenn er mich nimmt«, setzte ich für mich hinzu.
    Stille plumpste in die grabeskalte Diele.
    Meine Eltern wechselten ihren Katastrophenblick. Es war ein rascher Blick, mit dem sie sich rückversicherten, dass sie beide das, was ich mir gerade geleistet hatte, inakzeptabel fanden und nun gemeinsam zu erzieherischen Worten und Maßnahmen schreiten mussten. Mein Vater würde zuerst einen Vorschlag zur Güte machen.
    »Es war ein langer Tag«, sagte er. »Da sollte man nicht alles auf die Goldwaage legen. Deine Mutter hat das alles sicher nicht so gemeint, Jasmin, und du hoffentlich auch nicht.«
    »Doch!«, sagte ich.
    Meine Mutter verschluckte einen Stock und richtete sich kerzengerade auf. Langsam und vorsichtig, als enthielte sie Sprengstoff, stellte sie die Handtasche auf der Kommode ab. »Was soll das heißen, Jasmin?«
    »Was ich gesagt habe.«
    »Du hast dich also in diesen Damián verknallt.« Hätte sie dabei nur nicht so amüsiert gelächelt!
    »Nein«, widersprach ich. »Ich habe mich nicht in ihn verknallt. Ich liebe ihn! Und ich werde ihn heiraten!«
    »Kind!«, murmelte mein Vater. »Das ist eine wichtige Entscheidung. Die trifft man nicht so mir nichts dir nichts auf einer

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