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Der Ruf des Kolibris

Der Ruf des Kolibris

Titel: Der Ruf des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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knurrte Leandro. »Es ist doch eine Falle!«
    »Nicht schießen!«, schrie mein Vater und: »Auf den Boden. Jasmin, runter mit dir.«
    Wir kamen nicht mehr dazu. Ein Schuss knallte und verhallte in den Bergen, dann waren überall Soldaten in Gummistiefeln. Taschenlampen blendeten uns. Unsere Wachleute wurden ruck, zuck entwaffnet. Zum Glück kamen sie nicht dazu, noch einen Schuss abzugeben, denn hätten die Angreifer das Feuer erwidert, wären wir mit Sicherheit von der einen oder anderen Kugel getroffen worden, so eng wie es auf der Straße zwischen Hang, Autos und Abhang war.
    Der Atem der Soldaten dampfte im Gegenlicht der Autoscheinwerfer, obwohl viele Tücher vor den Gesichtern trugen. Die Läufe von Maschinenpistolen, Gewehren und Pistolen schimmerten keine Handbreit von uns entfernt. Wir wurden zu den Insassen der anderen Autos getrieben, drei Männer, zwei Frauen und drei Kinder.
    »Die FARC«, flüsterte Leandro uns zu. »Die tragen Gummistiefel! Daran erkennt man sie. Kein Wort zu ihnen, dass wir zur Mine wollen! Klar?«
    Noch immer hatte ich nicht wirklich Angst. Es war ein Überfall, vielleicht würden wir sogar entführt werden, das war mir schon klar, aber aus irgendeinem Grund glaubte ich nicht, dass sie uns erschießen würden. Sie wirkten so jung, auch wenn man ihre Gesichter nicht sah. Ihre Bewegungen waren fast ein wenig müde und erschöpft, so als seien sie selbst nicht richtig überzeugt von dem, was sie taten.
    Sie forderten uns auf, Geld, Handys und Schmuck herauszugeben. Die Frauen aus den beiden anderen Autos zeterten und schimpften. Leandro Perea rückte mit dem Gesicht eines kleinen Angestellten ein Bündel Geldscheine heraus, das viel kleiner war, als ich vermutet hätte. Wenn die Revolutionären Volksarmisten unseren Jeep auseinandernahmen, würden sie vermutlich den viel größeren Rest finden und dann ... Ich wollte mir nicht ausmalen, was passieren würde, wenn die kriegerischen Burschen in den Tarnuniformen mit den Gummistiefeln herausfanden, dass Leandro El Gran Guaquero war, einer der reichsten Männer Kolumbiens. Zum Glück trug er seinen Reichtum nicht zur Schau. Er trug keinen Schmuck, keine teure Uhr, nur diese alberne Anglerweste und Schaftstiefel, die ihn aussehen ließen wie einen Bankbeamten auf Tour durch die Wildnis.
    Elena verlor ihre Halskette, ihr Armband, zwei Silberringe und ihre Uhr an drei Männer, die lächelten wie die Kinder. Mir nahm einer Simons Uhr weg. Handys hatten Papa und ich nicht dabei, denn wir waren der Meinung gewesen, dass wir nirgendwo in der Wildnis ein Netz finden würden. Das Satellitenhandy, das Leandro dabeihatte, wurde er jedenfalls los.
    Nachdem sie uns alles abgenommen hatten, näherte sich uns der Chef der Bande, ein kleiner Mann mit einer langen Narbe auf der Wange. Er trug ein Maschinengewehr und zwei Munitionsgürtel und sah aus wie aus einem von den alten Western entsprungen, in denen die Mexikaner immer wagenradgroße Hüte trugen und von Mario Adorf gespielt wurden.
    »Ihr seid Ausländer«, sagte er. »Wo kommt ihr her?«
    »Aus Deutschland«, antwortete mein Vater in seinem Spanisch mit starkem Akzent. »Ich bin Arzt. Ich habe Medikamente und Instrumente dabei. Wir wollen nach ...«
    Leandro unterbrach ihn rasch: »Nach Popayán.«
    »So? Nach Popayán?« Der Bandenchef kratzte sich die Narbe. »Was wollt ihr da?«
    »Menschen kurieren«, sagte mein Vater.
    »Wir haben ein Krankenhaus in Popayán. Wer hat euch denn eingeladen?«
    »Der CRIC«, sagte ich schnell. »Der Regionalrat der Indígenas vom Cauca.«
    Leandro und Elena zuckten zusammen.
    Der Narbige tauchte seinen Blick unter dicken Brauen hervor tief in meinen, während eine Taschenlampe mich beleuchtete und sicherlich meine blauen Augen erhellte.
    »Und wer bist du?«, fragte er. »Wie heißt du?«
    »Und du? Wie heißt du?«, fragte ich zurück.
    Der Mann mit der Narbe lachte amüsiert. »Ich bin Major Antonio de Paicol.«
    »Und ich heiße Jasmin. Das ist mein Vater, Markus, das sind meine Freundin Elena und ihr Vater. Wir sind in Popayán mit Damián Dagua verabredet. Morgen um zehn Uhr am Torre del Reloj. Seine Schwester Clara ist krank. Mein Vater soll sie behandeln. Sie stirbt vielleicht sonst.«
    »So? Was hat sie denn, die Schwester von unserem Damián?«
    »Das weiß ich nicht. Niemand weiß es. Deshalb soll mein Vater sie sich ja anschauen.«
    »Und da reist ihr zu viert und mit vier Männern mit Pistolen und Gewehren? So viele gute Absichten, und solche Angst

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