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Der Ruf des Kolibris

Der Ruf des Kolibris

Titel: Der Ruf des Kolibris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Onkel mit seinen Leuten.«
    »Der Ladenbesitzer in der Calle Sexta in Popayán?«
    »Nein, nicht Gustavo, sondern Marias Mann Tano. Er hatte eine alte Rechnung mit Don Antonio offen, einst waren sie Kampfgenossen der FARC, jetzt sind sie Todfeinde. Als Tano hörte, dass Antonio euch gefangen hält, um mich zu kidnappen – übrigens nicht von mir, sondern von dem Freund von Rocío, die im Büro des CRIC arbeitet –, ist er mit zwanzig Leuten losgezogen. Ich konnte ihn nicht davon abbringen. Tano ist ... er ist ein Revolutionär der alten Schule. Er lehnt das, was ich mache, total ab. Meinen Weg der ...« Er zögerte, widersprach das, was er mir gerade erklärte, doch dem wilden Bild des Kriegers mit Blut an den Händen, das er gerade eben noch von sich zu zeichnen versucht hatte. »... meinen Weg der selbstbewussten Kooperation.«
    »Und dieser Tano«, hakte ich nach, »will auch nicht, dass mein Vater Clara nach Bogotá mitnimmt, damit sie behandelt werden kann.«
    Damián nickte nur.
    »Lohnt es sich, zu fragen, warum nicht?«, erkundigte ich mich. »Würde ich es verstehen?«
    Damián musste unwillkürlich lächeln. »Verdammt, Jasmin«, sagte er, und ich spürte, wie er meine Hand ergriff. »Ich versuche hier, dir klarzumachen, dass wir beide keine Zukunft haben, jedenfalls keine gemeinsame, erstens, weil ich ohnehin wahrscheinlich nicht lange lebe, und zweitens, weil ich nicht weiß, was für Kriege hier noch stattfinden werden! Und du ... du spottest über mich.«
    »Nein, gar nicht! Ich finde nur, es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Und bis man dich als ersten indianischen Präsidentschaftskandidaten von Kolumbien ermordet, ist es noch eine Weile hin. Außerdem willst du erst einmal eine Universität gründen. Wo eigentlich? Popayán hat ja schon eine.«
    Er entspannte sich etwas. »In der Gemeinde La María, Piendamó. Das liegt etwas nördlich von Popayán.«
    »Und warum will nun dein Onkel nicht, dass wir Clara helfen?«
    »Die indianische Tradition muss hochgehalten werden. Was die Schamanen nicht schaffen, schafft auch die westliche Medizin nicht. Zumindest darf sie es nicht. Andererseits ist mein Onkel nicht so sehr Traditionalist, dass er als Nasa keine Schusswaffen gebrauchen würde.«
    »Und was machen wir da nun? Entführen wir Clara kurzerhand?«
    »Darüber dachte ich gerade nach, als ...« Damián lächelte schief und schlang seine Finger in die Finger meiner Hand. »... als du kamst.«

de

– 21 –
     
    I n meinem Körper summte das Glück. Auch wenn ich nicht so genau wusste, worauf genau wir uns bei unserem Gespräch verständigt hatten. Aber ich hatte den sicheren Eindruck, dass wir einen kleinen Aufschub errungen hatten, bevor wir schwerwiegende Entscheidungen treffen mussten oder vielmehr er sie treffen würde. Denn meine Entscheidung war längst gefallen. Für immer und ewig, auf Gedeih und Verderb. Und an diesem Morgen glaubte ich felsenfest, dass ich ihn am Ende überzeugen würde. Ich musste! Er war nur jetzt noch so schrecklich ehrenwert. Er wollte mir sein schwieriges Leben ersparen. Er wollte mich schonen. Aber ich musste nicht geschont werden. Das würde er schon noch begreifen. Da war ich mir sicher. Fast!
    Damián ließ meine Hand erst los, als wir die Hütte erreichten und kurz bevor die anderen uns sahen. Wir waren den ganzen Weg schweigend gegangen. Er hatte, bevor wir uns auf den Rückweg machten, mit einem Pfiff das Pferd gerufen, das er geritten hatte, und es hatte sich in Marsch gesetzt, um uns zu folgen, und die anderen Pferde der kleinen Herde mitgezogen.
    Mein Vater unterhielt sich mit Clara etwas abseits der Kochstelle, wo die anderen gebratene Bananen, Zwiebelmilchsuppe und Maisbrot aßen und dazu Kaffee tranken. Elena zwinkerte mir zu. Ihr geheimnistuerisches Mienenspiel fragte: »Na, habt ihr euch geküsst?« Als ob das die Frage zwischen Damián und mir wäre. Ich lächelte mein schönstes »Alles prächtig!«-Lächeln zurück, gepaart mit einem »Ich erzähl dir nachher alles«-Augenaufschlag. Sie grinste.
    Damiáns Tante Maria lud uns ein zu essen.
    »Ich glaube, dein Vater will was von dir!«, unterrichtete mich Elena. »Er hat vorhin schon nach dir gefragt.«
    Ich schaute mich nach meinem Vater um, der bei Clara saß. Er fing meinen Blick auf und winkte mich zu sich. Clara hob ebenfalls die Hand, aber sie meinte offenbar Damián. Wir begaben uns zu ihnen hinüber.
    Mein Vater hatte einen Stein gefunden, auf dem er sitzen konnte,

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