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Der Ruf des Kookaburra

Der Ruf des Kookaburra

Titel: Der Ruf des Kookaburra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Leuze
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verlor, würde sie nicht tun können, was sie unbedingt tun musste.
    Wie sie den restlichen Weg hinter sich brachte, ohne durchzudrehen, wusste Emma nicht. Sie spürte nur, dass ein Rest Zweifel sie davon abhielt, Dayindi sofort und vor aller Augen und Ohren mit ihren Anschuldigungen zu konfrontieren.
    John nahm Emmas Anspannung wahr und versuchte mehr als einmal, die Rede auf Dayindi zu lenken. Er wollte seinen Verdacht mit der gebotenen Nüchternheit auf Herz und Nieren prüfen. Aber Emma blockte ab. Sie war vollauf damit beschäftigt, ihre Feindseligkeit und die dahinter lauernde abgrundtiefe Verzweiflung im Zaum zu halten; für Diskussionen war da kein Raum. Dass der law man Carl ermordet haben könnte, kam ihr so naheliegend und logisch vor, dass sie sich fragte, wie sie diese Möglichkeit so lange hatte übersehen können.
    Wenn er Carl ermordet hat, wird er dafür bezahlen.
    Sobald Birwain das Zeichen zur Rast gab – sie hatten den ersten heiligen Ort, einen tiefen, schwarzen Tümpel, erreicht –, fing Emma an, Dayindi zu beobachten wie ein Raubtier seine Beute. Sie rechnete fest damit, dass er sich rasch vom Clan zurückziehen würde, um seiner gewohnten Einsamkeit zu frönen. Dann, so ihr Plan, würde sie ihm unverzüglich folgen und ihn zur Rede stellen.
    Danach würde sie wissen, ob Carl tot war.
    Ob Dayindi sein Mörder war.
    Wie besessen von der Aussicht darauf, endlich Gewissheit zu erlangen, schottete sie sich von allen ab. Niemand durfte ihr jetzt noch in die Quere kommen, niemand sie daran hindern, die Wahrheit herauszufinden; nicht einmal John.
    Sie verschwieg ihm, was sie vorhatte, denn sie ahnte, dass er von einem Überfall auf Dayindi wenig halten würde, solange sie nicht die Spur eines Beweises in der Hand hatten. John würde anders vorgehen wollen – überlegter, besonnener.
    Aber John war es ja auch nicht, dem die große Liebe genommen worden war.
    Ruhelos streifte Emma hin und her. Belle hatte sie Nowalingu überlassen, die sie Purlimil zum Stillen bringen und danach ein wenig mit ihr spielen wollte. In Johns Nähe, verstand sich. Nowalingu suchte Johns Nähe, wo und wann sie nur konnte.
    Selbst das kümmerte Emma heute nicht.
    Was Dayindi tat, kümmerte sie. Nur das.
    Da! Der law man sagte etwas zu Birwain … deutete auf das Dickicht hinter sich … drehte sich um und machte sich davon.
    Los! , befahl das Raubtier in Emma blutdürstig, und sie gehorchte. Ohne nachzudenken, fing sie an zu laufen.
    Er stand etwa zehn Meter entfernt und hatte ihr den Rücken zugewandt. Sie zwang ihren Atem, ruhiger zu werden; sammelte ihre Kraft. Als sie die letzten Schritte auf den law man zuging, tauchte Carls Bild glasklar in ihr auf. Carl, überdeutlich in seiner Einzigartigkeit.
    Carl mit seinen schwarzen Locken. Mit den lachenden, meerblauen Augen und dem muskulösen Körper.
    Mit der dunklen Stimme, die so sanft wurde, wenn er zu Emma sprach; mit den zärtlichen Händen, die über ihre Haut glitten und ihr Wohlgefühl und Lust bescherten. Carl mit seinem Verständnis für all ihre Besonderheiten, ihre Macken, ihre Fehler. Mit seiner Güte, seinem scharfen Verstand, seinem Humor. Dieser wunderbarste aller Menschen war tot – und das nur, weil Dayindi unbedingt seine abstrusen Vorstellungen von Gerechtigkeit hatte durchsetzen wollen.
    Grell flammte der Hass in Emma auf.
    Sie hatte Dayindi erreicht, trat direkt hinter ihn. War allein mit ihm, mit ihrer Anklage, mit seiner Reaktion darauf, dass sie über alles Bescheid wusste.
    »Ich weiß, dass du es warst.«
    Der law man drehte sich um, nicht im Mindesten erstaunt oder gar erschrocken. Stattdessen blitzte Belustigung in seinen Augen auf, als er Emma musterte.
    Emma rang nach Luft. Carl war tot, und Dayindi fand das alles amüsant?
    Das Raubtier in ihr brauchte keine weitere Ermutigung. Es bettelte darum, zuschlagen zu dürfen … schwer, so schwer, es in Schach zu halten …
    »Ich kann es nicht beweisen, aber ich weiß, dass du Carl ermordet hast«, stieß sie hervor, die Finger ineinander verkrampft, damit sie kein Eigenleben entwickelten und Dayindi die Belustigung aus dem Gesicht schlugen. »Und ich werde dafür sorgen, dass du für diese Tat zur Verantwortung gezogen wirst.«
    Dayindi stieß einen Laut aus, der entfernt an ein Lachen erinnerte. Er legte den Kopf schief, zupfte mit Daumen und Zeigefinger an dem Knochen in seiner Nasenscheidewand herum und sagte: »Da muss ich dich leider enttäuschen, Frau. Ich habe Carl nicht

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