Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Der Ruf des weißen Raben (German Edition)

Titel: Der Ruf des weißen Raben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sanna Seven Deers
Vom Netzwerk:
außergewöhnliche Kräfte verfügen, um damit umgehen zu können. Immerhin heißt es, er hätte Kräfte ohnegleichen, Leben und Tod lägen in seiner Macht.« Chad suchte nach den richtigen Worten. »Darüber habe ich lange nachgedacht und ich bin mir sicher, dass die Kräfte des Talismans sowohl für gute als auch für böse Absichten genutzt werden können. Es hängt ganz von dem Menschen ab, in dessen Besitz er sich befindet. Wenn er in die falschen Hände gerät, ist er eine Gefahr für die gesamte Welt.«
    Myra schwieg und biss gedankenversunken auf ihrer Unterlippe herum. Chad musste lächeln, als er das sah. Doch gleich darauf wurde er wieder ernst.
    »Ich möchte dir noch etwas zu deinen Reisen in die Geisterwelt erklären. Du kennst bestimmt das sogenannte Kastensystem, das in Indien so viel Leid hervorgebracht hat. Ich habe mich sehr lange mit diesem Phänomen beschäftigt, und ich glaube, dass es niemals dazu gedacht war, auf die Menschen selbst angewandt zu werden. Vielmehr glaube ich, dass es dazu dienen sollte, Menschen von der Welt der Geister fernzuhalten, damit sie sich und die Welt nicht mit einer Kraft verletzen können, die sie nicht zu kontrollieren vermögen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich denke, dass wir normalen Menschen eine Art Barriere in uns haben, die uns daran hindert, die Welt der Geister zu sehen und zu betreten. Das Bewusstsein eines normalen Menschen kann ein Wechseln zwischen seiner alltäglichen Welt und der Geisterwelt nicht verkraften.«
    »Aber du hast gesagt, dass es in deinem Volk bestimmte Menschen gibt, die in die Geisterwelt reisen.«
    »Das ist richtig. Bei allen Naturvölkern gibt es Schamanen, die ein besonderes Talent besitzen und die für die normalen Menschen eine Verbindung zur Geisterwelt herstellen können. Mein Volk spricht zudem bestimmten Tieren, wie zum Beispiel Vögeln, schamanische Kräfte zu. Für uns stellen diese Tiere Botschafter zwischen den Welten dar.«
    Chad brach ab, denn er suchte nach den richtigen Worten.
    »Je öfter du in die Geisterwelt reist, desto schwerer wird sich das auf dein Bewusstsein legen.«
    Er schüttelte den Kopf, weil es ihm nicht gelang, dieses Phänomen in verständliche Worte zu fassen, und versuchte es noch einmal.
    »Du hast selbst berichtet, dass du dich in andere Personen verwandelt hast, als du in der Geisterwelt warst. Und wenn du nicht stark genug bist, um diesen Wandlungen standzuhalten, um all diese anderen Personen in dir aufzunehmen und gleichzeitig dein eigenes Selbst zu behaupten, dann ist es sehr, sehr leicht, sich in der Geisterwelt zu verlieren.«
    Myra blickte zu Boden. Sie war Chad dankbar für seine Warnung.
    »Dieses Gefühl von Dringlichkeit, das ich seit meiner Rückkehr verspüre, ist stark, Chad, sehr stark. Ich muss es einfach versuchen! Bitte hilf mir. Fahre mit mir zurück zum Thunder Mountain. Ich glaube, dort werden wir die Felssäulen und somit den Zugang zur Geisterwelt ein weiteres Mal finden.«
    Chad sah sie eine ganze Weile schweigend an. Dann sagte er: »Also gut, ich werde dich begleiten. Aber vorher möchte ich dir noch etwas sagen.« Er spürte, dass es an der Zeit war, ihr von der Zeremonie und den Worten der Ältesten zu erzählen.
    »Vor kurzem haben die Ältesten unseres Stammes alle Stammesmitglieder zu einer besonderen Zeremonie zusammengerufen. Sie fühlen, dass dunkle Mächte am Werk sind, die die Welt, wie wir sie kennen, zu zerstören trachten. Bei dieser Zeremonie hat mein Volk die Ahnen um Hilfe angerufen. Die eindeutige Antwort war: Sie werden uns helfen.«
    Myra hatte aufmerksam zugehört.
    »Wo hat diese Zeremonie stattgefunden?«, fragte sie mit stockender Stimme.
    Chad sah sie erstaunt an.
    »In unserem großen Zeremonienhaus.«
    »Handelt es sich dabei um das imposante Gebäude aus Zedernholzplanken, das ein Stück außerhalb von Boulder Landing steht, nahe bei dem neuen Highway?«
    »Ja«, entgegnete Chad. »Man kann es nicht verfehlen. Es ist leider kein privater Ort mehr, seit der neue Highway gebaut worden ist, aber es ist zentral gelegen für alle Stammesmitglieder, und außerdem ist der Platz unserem Volk seit Urzeiten heilig.«
    »Ich bin dort gewesen«, flüsterte Myra. »Aber ich habe niemanden angetroffen«, fügte sie schnell hinzu. »Ich wollte nur einen Tee trinken, weil ich so müde war.« Und dann berichtete sie mit leiser Stimme von ihrem Aufenthalt am Zeremonienhaus.
    Chad unterbrach sie nicht, pfiff jedoch am Schluss anerkennend durch die Zähne. Auch

Weitere Kostenlose Bücher