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Der Schaedelschmied

Der Schaedelschmied

Titel: Der Schaedelschmied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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oder verhöhnt zu werden – Letzteres wohlgemerkt zumeist nur aus sicherer Entfernung. In Barlyn jedoch schien sie nahezu jeder Zwerg, dem sie begegneten, für politische Attentäter, Staatsfeinde, Verräter oder zumindest die potenziellen Mörder seiner Kinder zu halten. Abschätzige Blicke und feindselig verzogene Mienen begegneten ihnen an jeder Ecke, hin und wieder wechselte ein Zwerg auch demonstrativ die Straßenseite, sobald er ihrer ansichtig wurde.
    Als sie das Konferenzzentrum der Stadtverwaltung endlich erreichten, war Hippolit mehr als froh, dem gemeinen Volk entronnen zu sein und endlich mit den Ermittlungen beginnen zu können. Auf der anderen Seite spürte er, dass sein Verlangen, den Zwergen bei der Aufklärung ihres ach so wichtigen Mordfalles zu helfen, rapide im Schwinden begriffen war. Und er ahnte, was Geheimrat K. gemeint hatte, als er von einer »diplomatischen Herausforderung« sprach …
    Ein dumpfes Krachen riss Hippolit aus seinen Gedanken. Irritiert fuhr er in dem dicken Ledersessel in die Höhe und ließ den Blick suchend durch den Konferenzsaal schweifen.
    Eine zweite Doppeltür am anderen Ende des Raumes war aufgestoßen worden. Herein stürmte ein stämmiger Zwerg in militärisch anmutender Uniform. Abgesehen von seinem kleinen Wuchs, den er mit Meister Alprecht teilte – beide reichten Hippolit gerade bis zum Kinn –, unterschied er sich in nahezu jeder denkbaren Weise vom Berater des Lordprotektors: Statt von einem filigranen Zwicker wurde sein Gesicht von eckigen Augengläsern geziert, die in einer massiven schwarzen Fassung steckten. Er trug keinen Vollbart, lediglich um den Mund herum gab es ein akkurat gestutztes Rechteck aus kurzem schwarzem Haar. Ebenso akkurat gestutzt war das verschwindend kleine Rund mit Pomade eingefetteten Haars auf seinem ansonsten kahl geschorenen Schädel, das von Weitem fast wie eine Mütze anmutete.
    Zackig riss der Neuankömmling eine Hand an eine imaginäre Hutkrempe und bellte ein unvermeidliches »Heil Hindrych!«.
    »Heil Hindrych«, erwiderte Alprecht etwas leiser. »Meister Hippolit, Agent Jorge – ich darf vorstellen: Präsident Wymmler, Oberbefehlshaber der Barlyner Ordnungskräfte.«
    »Eine verdammte Ehre, Sie kennenlernen zu dürfen«, befand Wymmler und kam im Stechschritt herüber, um sie zu begrüßen. Hinter ihm tauchten unterdessen weitere Personen in der Türöffnung auf – zu Hippolits Erstaunen keine Zwerge, sondern Menschen von normaler Größe.
    Bei dem ersten handelte es sich um einen dürren, leicht gebückt gehenden Mann in einem weiten, karierten Übermantel. Er hatte ein hageres, gelangweilt wirkendes Gesicht, das von einer unansehnlichen Habichtnase dominiert wurde, und Augen von der Farbe uralten Granits. In seinem Mund steckte eine Pfeife aus abgegriffenem Tyfuchholz, an der er in unregelmäßigen Intervallen paffte.
    Ihm folgte ein kleinerer, birnenförmiger Mann mit weißem Backenbart und einem dunklen Anzug. Kaum war er eingetreten, stellte er eine große schwarze Tasche neben der Tür ab, lüpfte höflich einen kugeligen Hut mit schmaler Krempe und lächelte pausbäckig in die Runde.
    Hinter ihm erschien eine dritte Gestalt in der Tür. Als Hippolit erkannte, um wen es sich handelte, stieß er einen unartikulierten Laut der Überraschung aus.
    Der dritte Mann war groß und schlank, seine athletische Figur von so perfekten Proportionen, dass er beinahe wie eine Kleiderpuppe für die blitzsaubere blaue Uniform wirkte, in der er steckte. Polierte Silberknöpfe funkelten auf der Vorderseite seiner Jacke, deren Schultern von pompösen Epauletten geziert wurden. Ein eleganter Schmucksäbel baumelte an seinem Gürtel, das volle braune Haar auf seinem Kopfstand als Folge einer besonders bei der Unterschicht beliebten thaumaturgischen Frisiertechnik senkrecht in die Höhe.
    Bevor Hippolit seine Verwunderung in Worte fassen konnte, polterte Jorge neben ihm los: »Bei Batardos – wenn das nicht unser alter Freund Glaxiko von der Stadtwache in Nophelet ist!« Er knallte die fast geleerte Keksschale so heftig auf den Tisch, dass ringsum Becher und Schüsseln in die Höhe hüpften. »Glax, altes Haus! Machst du etwa Urlaub in dieser schönen … also, ich will es mal Stadt nennen? Hier, tief drunten im Verdauungsapparat der Welt?«
    »Glaxiko?«, wiederholte Hippolit ungläubig. »Woher …?« Mit einem Mal kam er sich vor, als steckte er in einem Fiebertraum fest, der just in diesem Moment seinen surrealen Höhepunkt

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