Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines
gedacht, denn Maskulu selbst brauchte kein Licht. So wirkte das grünliche Leuchten in der schwarzen Dunkelheit eher gespenstisch.
Es gab nichts, das ein Mensch als Möbelstück hätte betrachten können, abgesehen vielleicht von den seltsam geformten Nischen und Löchern, die sich an verschiedenen Stellen im Gestein fanden. Der Stein an Wänden und Boden war mal glatt poliert und schimmernd, mal wellig oder rau und gemasert, mal mit fremdartigen Mustern versehen.
Veldan wusste, dass die Gaeorn in ihren unterirdischen Plätzen kein Augenlicht brauchten, aber ihr Tastsinn, der in den vielen Borsten an Beinen und Segmenten des Rückenschildes saß, war so gut entwickelt, dass man sagen konnte, sie ›sahen‹ mit jedem Zoll ihres Körpers. Doch sicherlich nahm Maskulu diesen Raum ganz anders wahr als ein Mensch.
Als sie eintraten erhob sich eine Gestalt aus einer dunklen Ecke und kam langsam auf sie zu. Im ersten Moment glaubte Veldan, es müsse Toulac oder Zavahl sein, doch dann hörte sie die Stimme Bailens in ihrem Kopf. »Ich bin so froh, dass ihr endlich da seid. Ich habe schon angefangen, mir Sorgen zu machen.«
Sie hätte sich denken können, dass der Horcher hier war, fand Veldan. Doch von Toulac oder Zavahl war nichts zu sehen, und sie wunderte sich. Sie selbst hatten so lange gebraucht, um sich fortzustehlen und hier einzutreffen, dass sie davon ausgegangen war, die anderen würden vor ihnen dort sein. Vielleicht befanden sie sich in einem anderen Raum. Zweifellos würde der Gaeorn es ihr sagen, sobald er kam. Gerade wollte sie Vaure fragen, wer sie herbringen sollte, als Maskulu hereinkam und diesen Gedanken beiseite fegte.
Im rechten Winkel zu dem Tunnel, durch den sie gekommen waren, endete ein weiterer Gang. Durch diesen kam Maskulu so plötzlich in die Höhle gesaust, dass Veldan und Elion einen erschrockenen Satz machten.
»Willkommen, willkommen«, sagte er auf telepathischem Wege, wenngleich sich dabei seine glitzernden Diamantkiefer mit Nachdruck bewegten. »Mein Heim ist nicht allzu bequem für eure Art, doch ich hoffe, es wird euch angesichts von Cergorns Unnachgiebigkeit eine Weile Zuflucht bieten können.«
»Danke, Hoher Wissenshüter«, antwortete Elion.
»Ja, wir sind dafür sehr dankbar«, schloss sich Veldan an und holte dann tief Luft, um nach den rechten Worten zu suchen. »Würdest – könntest du uns erzählen, was vor sich geht, bitte? Wir waren so lange fort, Kaz und ich, dass wir uns nicht mehr recht auskennen. Ich weiß, dass wir unsere Mission schrecklich verpatzt haben, und ich bedaure das mehr, als ich sagen kann, aber dennoch hätte ich von Cergorn nicht solche Strenge erwartet. Von allen Leuten müsste er am besten wissen, dass jedem Wissenshüter mal ein Unglück geschehen kann. Es war ein Erdrutsch, durch den Aethon ums Leben kam, und was hätten wir dagegen tun können?«
»Nichts«, antwortete Maskulu überraschend freundlich. »Sei unbesorgt, Veldan. Natürlich hättest du nichts tun können, um den Tod des Drachen zu verhindern. Der Archimandrit würde das begreifen, hätte er sich nur nicht so darauf versteift, gegen die Botschaft der Veränderung und das Wirken des Schicksals anzukämpfen. Cergorn will nicht wahrhaben, dass seine Gesetze der Geheimhaltung und Abschottung nicht mehr angemessen sind, um der gegenwärtigen Krise Herr zu werden. Wenn der Schattenbund – und mit ihm die ganze Welt – den Zusammenbruch der Schleierwand überstehen soll, dann, so fürchte ich, werden wir uns einen neuen Anführer suchen müssen.«
»Womit du wohl dich selbst meinst?«, warf Kaz ohne Zögern ein.
Der Gaeorn zischte, was bei ihm gemeinhin als Lachen galt. »Ach Kazairl. Nur du konntest die Frechheit aufbringen und mir diese Frage so unverblümt stellen.«
»Jemand musste es tun«, erwiderte der Feuerdrache unbeeindruckt.
»Die Frage ist völlig gerechtfertigt«, sagte Maskulu darauf. »Wenn ich euch um Unterstützung bitte, so habt ihr das Recht zu erfahren, um was und wen es sich dabei handelt.« Mit rot funkelnden Augen blickte er auf sie hinunter. »Ich hege nicht den Wunsch, der Archimandrit zu sein. Dessen dürft ihr sicher sein. Später, wenn die Zeit gekommen ist, werdet ihr den einen treffen, der diesen Namen schon lange verdient. Er wird selbst über seine Hoffnungen und Pläne zu euch sprechen. In der Zwischenzeit könnt ihr euch ausruhen und die Ankunft eurer menschlichen Freunde erwarten.«
»Was?«, sagte Veldan. »Du meinst, sie sind noch gar nicht
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