Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
spöttisch:
»Lieber Bruder, du wirst eine kleine Wildkatze zur Frau bekommen. Sie scheint sich nicht willenlos deinen Wünschen zu fügen.«
Sie setzte ein gurrendes Lachen auf, während ihre Finger mit den Härchen, die unter seiner Manschette hervorlugten, spielten. Es war nur eine Kleinigkeit, kaum der Rede wert, dennoch strahlte diese Berührung für mich so viel Intimität aus, als würde ich ein frisch verliebtes Paar beobachten.
Wütend schob ich meinen Stuhl nach hinten und erhob mich.
»Da ich wohl annehme, dass es sich bei den geschäftlichen Angelegenheiten um Belange, die das Gut betreffen, handelt, möchte ich darauf hinweisen, dass ich die Herrin von Cromdale bin. Harrison, ich denke, wir sprechen unter vier Augen und in aller Ruhe darüber.« Ich warf Violet einen scharfen Blick zu, dem sie überlegen standhielt.
Ich wusste, dass mein Abgang nicht besonders gut gewesen war. Immer, wenn ich mich aufregte, trat mein Hinken viel stärker als sonst in Erscheinung. Sobald die Tür hinter mir ins Schloss gefallen war, bereute ich die überheblichen Worte. Es war nicht nötig gewesen, Harrison seine untergeordnete Position vor seiner Schwester und Mutter in Erinnerung zu rufen. Ich hatte mich kindisch und dumm verhalten und war entschlossen, mich bei ihm dafür zu entschuldigen. In wenigen Wochen würde er mein Mann und damit mir gleichgestellt sein. Nein, halt, sagte diese Stimme in mir, das Gegenteil wird der Fall sein, ich werde mich meinem Ehemann unterordnen müssen. Dennoch tat mir mein Verhalten Leid, und ich ging über den Hof ins Kontor und setzte mich an den Schreibtisch. Sicher würde Harrison bald kommen, dann konnte ich ihn um Verzeihung bitten. Eine Stunde verging, in der ich lustlos in Papieren blätterte, ohne deren Inhalt wahrzunehmen. Als ich endlich Hufgeklapper hörte, stand ich auf und eilte zum Fenster. Tatsächlich sah ich den Hengst Diavolo mit seinem Herrn. Stolz und aufrecht saß Harrison im Sattel, seine offenen Locken flatterten im Wind, und er war bester Laune. Keine Spur mehr von der morgendlichen Missstimmung. Er lachte und scherzte. Dann erkannte ich, warum er sich in einer solch guten Stimmung befand: Neben ihm saß Violet auf dem Pferd, das sonst ich ritt. Anscheinend störte sich Bachelor nicht an der neuen Reiterin, denn er folgte brav jeder ihrer Bewegungen. Das dunkle Reitkleid brachte Violets schlanke Figur gut zur Geltung, über dem Gesicht trug sie einen durchsichtigen Schleier. Jetzt machte Harrison offenbar einen Scherz, denn Violet lachte laut auf, beugte sich zu ihm hinüber und strich ihm zärtlich über die Wange.
Mit brennenden Wangen und einem dumpfen Druck im Magen wandte ich mich ab. In meinem Inneren tobten die unterschiedlichsten Gefühle: Zorn, Wut und eine gehörige Portion Eifersucht. Ja, ich war eifersüchtig auf die Schwester des Mannes, den ich liebte. Eifersüchtig auf ihre Schönheit, ihre Figur, ihre Art, sich leichtfüßig und elegant zu bewegen. Eifersüchtig, da sie offenbar Harrisons Herzen viel näher stand als ich.
An diesem Morgen im Kontor, als ich verborgen hinter der Gardine am Fenster stand und Harrison mit Violet heimlich beobachtete, kam mir zum ersten Mal der Verdacht, sie könne gar nicht seine Schwester sein. Waren ihre Blicke, ihre zufälligen wie auch beabsichtigten Berührungen für Geschwister nicht zu intim? Vom ersten Tag an hatte ich gedacht, dass Harrison über das Kommen seiner Schwester nicht sonderlich erfreut gewesen, dass ihm ihre Anwesenheit peinlich war. Trotzdem knisterte zwischen den beiden eine Spannung, die ich von Tag zu Tag deutlicher spürte. Wenn ich die Situation nüchtern beurteilte, dann gewann ich den Eindruck, dass Harrison sich von Violet gleichzeitig angezogen, aber auch abgestoßen fühlte.
Fahrig fuhr ich mir über die Augen und blinzelte die Tränen, die gegen meinen Willen hochstiegen, fort. Einerseits betrachtete ich mich als aufgeklärte junge Frau, andererseits begann ich, Gespenster zu sehen, wo es gar keine gab.
Keine geben durfte.
Oder?
Mit vor der Brust verschränkten Armen lehnte ich an Harrisons Zimmertür und beobachtete ihn beim Packen. Die wenigen Dinge, die in die kleine Reisetasche wanderten, ließen darauf schließen, dass er nur einen kurzen Aufenthalt in Edinburgh plante.
Drei Tage waren seit unserem Streit vergangen. Zuerst hatte ich vorgehabt, mit ihm unter vier Augen noch mal darüber zu sprechen, doch dann siegte mein Stolz. Wenn er mich nicht an seiner Seite haben wollte
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