Der Schatz von Njinjo (German Edition)
Kinder gen Himmel, auch gestandene Männer und Frauen aus dem Dorf schauen verdutzt in die Luft. Kurz vor Njinjo allerdings dreht die flach auf Sicht fliegende Maschine nach Süden ab und ist kurz darauf nicht mehr zu sehen. Ihr Motorengeräusch hört man noch eine Weile länger.
„Wo kommt der denn her?“, herrscht Makaïdi, gänzlich aufgewacht, seine beiden Piloten an. Der dienstbeflissene Co-Pilot macht sich sofort auf, Kontakt mit der Flugleitzentrale in Dar es Salaam herzustellen. „Wer ist das und wo will der hin?“, ruft ihm der Superintendent hinterher.
Die umsitzenden Dorfbewohner klären den Oberbullen rasch auf: Eigentlich könne es sich nur um den ersehnten Arzt aus Kilwa handeln, so oft gebe es hier keine Flugmaschinen – schon gar nicht zwei am Tag. Dass der sein Kommen ankündigt, indem er sich kurz am Himmel sehen lässt, sei ganz normal. Und wenn der irgendwo landen wolle, gebe es dafür nur einen Platz, die Piste in Namatoya einige Kilometer südlich des Dorfs. Jeden, der dort aussteige, insbesondere am Nachmittag, ziehe es danach unweigerlich nach Njinjo, eine andere Siedlung halbwegs ernstzunehmender Größe gebe es hier nirgends. Auch zur Missionsstation der Weißen Väter im Westen führe der einzige Weg durch Njinjo. Insofern werde man die Insassen des Fliegers früher oder später zwangsläufig zu Gesicht bekommen.
„Und? Wer sind diese Buschpiloten?“ Makaïdi hat offensichtlich doch noch nicht alle Müdigkeit abgelegt. Der Dorfvorsteher antwortet ihm geduldig. „Wie ich schon sagte, wahrscheinlich handelt es sich um den Doc, der überfällig ist. Wundern Sie sich nicht, wenn hier in wenigen Stunden ein Feldlazarett ohne Zelt entsteht, wenn Verletzte, Lahme, Leprakranke, ...“
„Lepra?“, platzt Baregu dazwischen, „ich dachte ...“
„... Schwangere und Halbtote aus allen Himmelsrichtungen zusammenströmen“, fährt der Dorfchef ungerührt fort, der sich offenkundig mit dem Sergeanten nicht mehr länger abgeben mag. „Für die stellt die Ankunft des Arztes den lang ersehnten Hoffnungsschimmer dar.“
Eine halbe Stunde später, als sich bereits die ersten Kranken am Dorfplatz eingefunden haben, hört man, wie sich von Süden her knatternd zwei Motorräder nähern. Eines zieht einen holpernden Anhänger hinter sich her, auf dem in rot Kreuz und Halbmond prangen. Mitten auf dem Dorfplatz, wo die Männer das Palaver halten, kommen die Maschinen zum Stehen. Mit Halstuch, Brille und Helm dick vermummt gegen Staub, Spritzwasser und Sonne, lassen sich die Gesichter der Fahrer noch nicht erkennen. Einem der drei aber, dem Beifahrer auf dem hängerlosen Krad, schwanken beim Absteigen die Knie. Es dauert keine zehn Sekunden, bis auch Makaïdi merkt, wen er da vor sich hat: Singai Roh, den Archivdirektor.
Dessen zwei Begleiter stellen sich vor als Bali Ram Singh, Geschäftsmann aus Kilwa Kivinje („noch so ein Inder!“, stöhnt Makaïdi innerlich, der natürlich ganz genau weiß, dass die meisten Asiaten im Land seit Generationen Tanzanier sind) sowie Pater Matthias, Arzt am Hospital von Kilwa Kivinje. („Wir warten immer noch auf Flugbenzin! Die Herren waren so freundlich, mich mitzunehmen. Dafür musste ich ihnen allerdings Stauraum auf meinem Anhänger überlassen ...“)
Makaïdi gibt seinen Assistenten ein Zeichen, woraufhin die beiden sich wie abgesprochen hinter Roh und Singh postieren, dann plustert sich der Superintendent gewichtig auf:
„Herr Roh, Sie sind verhaftet! Alles, was Sie jetzt noch sagen, wird bei Bedarf gegen Sie verwendet. Sie können schweigen, dann wird es dauern, bis man sich erneut an Sie erinnert. Oder reden und ein Geständnis ablegen. Einen Anwalt finden Sie frühestens in Dar es Salaam, und wann Sie dort hin zurück gelangen, liegt ganz in meiner Macht.“
„Irrtum“, unterbricht ihn im gleichen Moment unvermutet und selbstbewusst scharf Bali Ram Singh. „Ich bin Rechtsanwalt, zugelassen an allen tanzanischen Gerichten. Wenn nötig, vertrete ich meinen Freund Direktor Roh sofort. Meine Legitimation lässt sich mit einem Funkspruch überprüfen.“
„Ihre was?“, braust Makaïdi auf. „Die können Sie sich sonstwohin stecken!“ Fundikira muss ihn leise bremsen.
Unbeeindruckt fährt Singh fort: „Wenn Sie sich mit meinem Mandanten unterhalten wollen, werde ich dabei sein. Und nebenbei: Ein ganzes Dorf voll Zeugen.“
Überrumpelt von dieser unerwarteten Wendung – selbst Roh entspannt sich ein wenig angesichts seines Glücks im
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