Der Schatz von Njinjo (German Edition)
ein.
Zwar würde der Deutsche gern noch eine zweite Portion bestellen, doch das versagt ihm sein Gewissen. Zu viele Hungerbäuche heute. Schließlich kostet ein Essen hier immerhin so viel wie vier, fünf kalte Biere ...
„Gern.“ Kurz darauf sitzt der Deutsche am Tisch des Pfarrers. „Freut mich, sie zu treffen. Ich bin Jens Petermann aus Rosengarten bei Hamburg, Architekt.“ Petermann ist froh, ein paar Takte reden zu können.
„Pater Maurice, angenehm. Meine beiden Kollegen hier sind Christopher Chiluba, Sekretär der Demokratischen Partei, und Bruder Joseph, unser Diakon. Wir planen gerade den nächsten Besuch des Herrn ...“
Ermutigt von Pater Maurice lockerer Art, frotzelt da auch Petermann: „Demokratische Partei? Sind das nicht diese christlichen Fundamentalisten? Was verschlägt denn eine so fromme Herde in einen bierseligen Club wie diesen?“
„Oh, wir lieben diesen Ort. Die laue Luft, das Meer! Eben noch sprachen wir über die nächsten Wahlen“, erläutert Pater Maurice.
„Schließlich müssen sich Christen engagieren, wo sich doch mittlerweile überall die Moslems breit machen“, wirft der Parteisekretär dazwischen.
„Na ja,“ will Petermann einsetzen, „ich komme da ja aus einer eher kirchenfremden Welt, Norddeutschland, da gibt es sogar Atheisten ...“
„Wen?“, erregt sich sofort der Diakon. „Leute, die an nichts glauben? Die gibt’s hier nicht. Aberglauben, klar, schlimm genug. Aber Gottlose? Denen fehlt’s doch an Moral und Anstand. Hören Sie sich mal um: Die will hier niemand haben. Die zählen doch nicht zur Gesellschaft, die gehören nicht zu uns!“
Petermann wird zunehmend unwohl, unruhig holt er Luft und setzt zu einer Entgegnung an. Pater Maurice scheint das zu spüren. Um Vermittlung bemüht, wechselt er abrupt das Thema.
„Eben gerade waren wir bei den Schlagzeilen von gestern, die nicht gestillten Babys, denen illegal gestrecktes Milchpulver die Nieren zerstört und die daran elendig krepieren. Kein Krankenhaus weit und breit, geschweige denn irgendeine Dialyse-Station, Herrgott noch mal, was für eine Schweinerei! Stellen Sie sich vor, jede fünfzehnte Milchpulver-Probe hierzulande ist mit Melamin verseucht!“
Petermann, der von diesem Skandal noch nie etwas gehört hat, traut sich nicht recht, seine Unwissenheit durch dumme Nachfragen zu offenbaren, will aber mehr erfahren. Melamin? Ist das nicht der Grundstoff von Meister Propper? Oder Leim? Im Milchpulver? „Warum stillen die Mütter denn ihre Babys nicht einfach weiter?“
Da mischt sich auch der Parteivertreter ein. „Schauen Sie sich doch um! Viele Frauen tun nicht was sie sollen, bestellen ihr Feld schlecht, schlafen mit jedem erstbesten Mann und dann haben sie Angst, ihr Kind mit HIV anzustecken!“ Soviel unverhohlene Frauenfeindlichkeit macht den Norddeutschen doch etwas sprachlos. Glücklicherweise springt ihm Bruder Joseph, ein jugendlich attraktiver Einheimischer, zur Seite: „Halt mal an dich, Chiluba, als wären die Mütter selber schuld! Viele sind doch nach den schlechten Ernten viel zu schwach, katastrophal ernährt, brauchen selbst dringlich Nahrungsmittelhilfen. Und dann machen diese elenden Konzerne auch noch überall Werbung für ihr Zeug, als wär’s die neuste Medizin! Aufknüpfen sollte man die Pfuscher!“
„Ach, auf einmal auch für die Todesstrafe?“, will sich Chiluba ereifern, aber Pater Maurice, der hier eindeutig das Sagen hat, legt ihm besänftigend die Hand auf den Arm. „Gestern hat das Gesundheitsministerium immerhin mehr als 40 Tonnen chinesisches Milchpulver beschlagnahmt ... Aber machen wir uns nichts vor: Niemand hat die Möglichkeit, das Zeug im großen Stil zu testen. Das wird noch jahrelang so weiter gehen! Ganz ähnlich wie mit der Malaria ...“ Der Pater ist offensichtlich bemüht, das Gespräch nicht zu politisch werden zu lassen. „Irgendein Südamerikaner soll angeblich endlich einen Impfstoff entwickelt haben. Für die Menschen wäre das ein wahrer Seen. Aber das wird sie langweilen“, unterbricht er sich dann selbst und wendet sich Petermann zu: „Was treibt sie in diese Ecke Tanzanias, die alle irdisch Mächtigen vergessen haben?“
Überrascht denkt sich Petermann aus dem Stegreif eine Legende aus. „Bin beruflich hier, ich soll einen Vorschlag für eine Brücke bei Lindi machen.“ Sofort wird der Parteisekretär hellhörig.
„In Lindi, sagen sie?“
„Ja, morgen früh schon fahre ich weiter.“
Dem Sekretär
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