Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
stöhnte. Niels musste die Lautstärke wieder nach unten regeln. Es war ihm peinlich und unangenehm, dass die Aufnahme ihn nicht kaltließ und er sie nicht einfach ruhig und nüchtern betrachten konnte. Nach einer Weile sprang Joachim elegant und leicht vom Tisch, jetzt war er erregt.
»Mach ruhig weiter, wenn ich weg bin«, sagte sie.
Er nickte.
»Nein«, flüsterte Niels, als Joachim die Plastiktüte über ihren Kopf zog und sie um ihren Hals band.
»Ich liebe dich«, sagte Joachim zärtlich und küsste sie durch die Tüte auf den Mund. Dann ging er ans Tischende und drang in sie ein. Einmal zwischendurch sah sie auf, blickte an ihrem Körper herab, und er hörte aus dem Inneren des Plastiks ein wohliges Stöhnen. Noch war jede Menge Luft in der Tüte. Niels starrte auf das durchsichtige Plastik rund um ihren Kopf, bei jedem Atemzug der verzweifelten Lunge wurde es angesaugt und legte sich auf ihre Haut. Die Innenseite war bereits von ihrem Atem beschlagen. Länger und länger klebte die Tüte an ihrem Mund, während ihre Lungen und ihr Herz verzweifelt nach et was anderem als Kohlendioxid suchten. Auch Joachim schien die Szenerie zu befriedigen. In gleichartigen, rhythmischen Bewegungen nahm er sie, bis ihr Körper sich für eine Sekunde aufbäumte. Und zusammenfiel. Er zog sich heraus. Trat augenblicklich an die Digitaluhr und schaltete sie ein. Sein Glied war noch immer steif. Dann ging er zurück ans Tischende. Jetzt, da Dictes Körper nicht mehr mit dem seinen zusammenarbeitete, war es schwer, wieder in sie einzudringen. Er musste ihren Unterleib näher an den Rand ziehen, aber seiner Lust schien das keinen Abbruch zu tun. Niels spürte, wie sein eigenes Glied hart wurde, als Joachim seine Jagd nach Befriedigung fortsetzte. Die Bilder waren abstoßend und grausam, dachte Niels – warum reagierte ein Teil von ihm trotzdem auf diese Weise? Und wie lange würde sie feucht genug sein, um …
Die Antwort ergab sich von selbst. Nach wenigen Sekunden kam Joachim mit einem halb erstickten Brüllen. Er zog sich heraus. Danach schnitt er die Tüte über ihrem Gesicht kaputt und sah auf die Uhr. Eine Minute und zehn Sekunden. Er befreite ihre Arme und Beine von den Fesseln.
»Komm schon«, sagte Niels. Als hätte das irgendeine Bedeutung. Joachim sah noch einmal auf die Uhr: zwei Minuten und zehn Sekunden. Er wartete. Setzte ihr die Spritze in eine Ader und injizierte ihr bei 2:30 das Adrenalin. Es dauerte drei Sekunden. Dann nahm er die Elektroden des Defibrillators und legte sie auf ihre Brust. Sah resolut auf die Uhr. Exakt um 2:59 drückte er. Der elektrische Impuls verpflanzte sich augenblicklich in ihren ganzen Körper, ihr Hals streckte sich bis aufs Äußerste – und mit einem kräftigen Sog holte sie tief Luft. Sie war wieder am Leben und drehte sich hustend auf die Seite. Ein paar Minuten blieb sie so liegen. Joachim war die ganze Zeit über neben ihr und redete flüsternd mit ihr. Niels konnte weder sehen noch hören, ob sie bei Bewusstsein war, aber ihre Füße bewegten sich.
»Willst du dich hinsetzen?«
»Noch nicht, mir ist kalt.«
Joachim verschwand aus dem Blickfeld der Kamera. Dicte sah jetzt direkt in die Kameralinse. Sie versuchte ein Lächeln: »Es war fantastisch«, sagte sie. »Ihr solltet euch freuen.«
Dann war die Aufnahme zu Ende.
9.
Islands Brygge, 10.12 Uhr
Adam Bergmann sah sie durch das Fenster. Einen Augenblick fürchtete er, auch sie könnte ihn gesehen haben. Sie stand draußen auf dem Balkon neben einem kleinen Gasgrill und blickte über den Hafen. Sie war allein. Er hatte sie durch das Fernglas beobachtet und in ihre Wohnung gesehen. In die Küche und das Schlafzimmer. Und er hatte Lust bekommen. Eine Lust, die über seine übliche Lust hinausgegangen war. Es war lange her, dass er bei einer Frau so gedacht und gefühlt hatte. Aber etwas an Hannah Lund erinnerte ihn an seine Frau. Auch wenn sie einander nicht ähnlich sahen. Sie war dunkelhaarig. Seine Frau war blond gewesen. Aber was war es dann? Der schmächtige Körper? Der melancholische Blick? Sie hatte unzweifelhaft irgendein Geheimnis. Wie seine Frau war auch Hannah eine Frau, die man nie bekommen konnte. Nie ganz. Manche Frauen waren so. Was man auch tat, gehörten sie entweder sich selbst oder einer anderen Welt. Entrückt. Ein alter Ausdruck. Auf eine Welt zu blicken, die nicht diese Welt war, nicht der Gegenwart angehörte. Mit genau so einem Blick sah Hannah nun von ihrem Balkon in die Ferne. Und dann hatte
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