Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
Anlagen, die einen Heidenlärm machten.
»Bleib dran, Casper«, flüsterte Niels, als er das Vorzimmer verließ und in Bergmanns Behandlungszimmer trat. Es war dunkel und leer. Hier in diesem Raum hatte er erst vor Kurzem seine Frau ans Messer geliefert.
Casper räusperte sich und fuhr fort: »Der unbekannte Täter hat damals sowohl Fingerabdrücke als auch … Spermaspuren hinterlassen.«
»Und er selbst stand nie unter Verdacht?«
»Bergmann?«
»Ja.«
»Das weiß ich nicht. Dafür müsste ich noch mehr Berichte lesen.«
»Adam Bergmann kommt nach Hause«, begann Niels. »Und findet heraus, dass seine Frau einen Geliebten hat. Er ist so wütend, dass er ihr am liebsten den Hals abschneiden würde und …« Niels öffnete vorsichtig die angrenzende Tür und kam in einen Raum mit zwei Betten. Sie waren leer. Er hörte förmlich, wie Casper über seine Theorie den Kopf schüttelte:
»Als die Polizei die Intensität der Ermittlungen reduziert hatte, hat er eine Unzahl von Privatdetektiven angeheuert.«
»Wo steht das denn?«
»Die haben Akteneinsicht beantragt.«
»Vielleicht wollte er auf diese Weise nur seine Unschuld manifestieren? Indem er so tat, als wollte er den Mörder finden«, sagte Niels.
»Anfänglich war der verantwortliche Ermittler von der Dienststelle in Lyngby …«
»Lyngby?«
»Ja, die haben damals da gewohnt.«
»Und wo wohnen sie jetzt?«
Niels hörte, wie Caspers Finger die Tastatur bearbeiteten. Niels öffnete die Schubladen von Bergmanns Schreibtisch. Literatur über Schlafforschung. An einem Titel blieb Niels’ Blick hängen: Gehirnwellen beim REM -Schlaf . Patientenakten. Aber nichts über Hannah.
»Ich verstehe nur nicht …«
Casper unterbrach sich selbst.
»Was verstehst du nicht, Casper?«
»Warum hat er deine Frau gekidnappt?«
»Er hat nie aufgehört, nach dem Mörder zu suchen.«
»Und was hat das mit deiner Frau zu tun?«
»Er will sie benutzen«, sagte Niels.
»Benutzen?«
»Ja, sie soll ihm helfen.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Kannst du mir seine aktuelle Adresse geben?«
10.
Nördlich von Kopenhagen, 22.29 Uhr
Er nahm ihre Arme von hinten und hielt sie fest; er war stark, das spürte Hannah gleich, sein Atem klang aber schwer und verkrampft. Ein Gedanke meldete sich in ihrem Kopf: Auch er hat Angst. Sie wusste nicht, woher dieser Gedanke kam, vielleicht hatte es etwas mit seinem Atem oder seinen unruhigen Bewegungen zu tun. Aber sie war sich fast sicher, dass er eine ebenso große Angst hatte wie sie. Für einen Augenblick gab dieser Gedanke ihr Hoffnung.
Er stieß sie vor sich her. Durch eine Tür, hinein in einen Raum, in dem die Luft anders roch, abgestanden, nach Belüftungsanlage, Rohren, künstlichem Licht, Wärme.
»Wir kommen jetzt an eine Treppe«, sagte er. »Vor Ihnen, wir müssen nach unten.«
Es war wirklich der letzte Augenblick. Im gleichen Moment verschwand der Boden unter ihren Füßen. Sie wäre gefallen, hätte sie sich nicht seitlich an die Wand gelehnt.
Dann gingen sie nach unten.
Er war direkt neben ihr und hielt sie fest. Seine Fersen hämmerten auf die Steine.
Die Angst blockierte ihre Gedanken.
Ruhig, sagte Hannah sich. Nördlich von Kopenhagen. Vielleicht kann ich sogar die GPS -Koordinaten errechnen. Aber wo?
Weitere Stufen. Er hielt sie noch fester. Als spürte er, dass sie drauf und dran war, einen letzten, verzweifelten Fluchtversuch zu unternehmen. Er hatte recht. Sie versuchte wirklich, sich aus seinem Griff zu befreien, und verschaffte sich durch eine plötzliche, ruckhafte Bewegung einen Augenblick der Freiheit. Doch dann geriet sie ins Stolpern und stürzte ein paar Treppenstufen nach unten, ohne sich mit den Händen abstützen zu können. Unten schlug sie hart mit Kopf und Rücken auf, um sie herum nur Kälte, Dunkelheit und Blut. Wo war sie hier gelandet?
11.
Nördlich von Kopenhagen, 22.31 Uhr
Vor Bergmanns Haus stand kein weißer Lieferwagen, konstatierte Niels, als er bei der Adresse in Lyngby ankam. Das Haus lag unweit vom Dyrehavn, direkt am Wald. Niels ging in den Garten. Das Gras reichte ihm bis zu den Knien. Auf der Terrasse stapelten sich alte Gartenmöbel. In einer Ecke stand ein verfallener Hühnerstall, der vermutlich einmal selbst gebaut worden war. Warum waren sie nicht weggezogen, nachdem die Mutter ermordet worden war? Wie konnten sie noch immer in dem Haus wohnen, in dem etwas derart Schreckliches passiert war? Hinter keinem der Fenster brannte Licht. Aber das musste nicht heißen,
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