Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
Mutter oder Kinder zu Hause Gedanken machen.«
»Sie gehen ganz schön schnell vor, Bentzon. Er kann die Hintertreppe genommen haben. Uns fehlen Informationen. Finden Sie etwas heraus und rufen Sie mich später wieder an.«
Die PR -Mitarbeiterin stand hinter Niels und sah ihn neugierig an.
»Wie heißt die, die jetzt Dictes Rolle übernehmen soll?«
»Lea.«
»Und ihre Beziehung zu Dicte? Beste Freundinnen?«
Ida sah sich über die Schulter und senkte die Stimme: »Das kann man nicht gerade sagen.«
31.
Nørrebro, 14.02 Uhr
Peter V . Jensen . Er las den Namen wieder und wieder – als enthielte die Reihenfolge der Buchstaben die Antwort auf die Frage, warum er hier, an einem viel zu heißen Sommertag, verkrampft und müde in seinem Auto saß. Peter sollte nach Dicte der Nächste sein. So einfach würde es dieses Mal allerdings nicht werden. Sie war ihm ja beinahe auf dem Silbertablett serviert worden – ohne Hilfe der anderen im Ballett wäre das niemals so leicht gegangen.
Er überprüfte die Adresse: PeterV. Jensen. Esrumgade 12, vierter Stock. Ja, er war am richtigen Ort. Auf dem Türschild stand nur »Jensen«. Aber im Moment war Peter nicht zu Hause.
Er schluckte ein paar Koffeintabletten und spülte sie mit Cola hinunter. Eigentlich hätte er sich lieber Hannah Lund gewidmet. Aber er hatte sie nicht gefunden, und im Niels-Bohr-Institut, in dem sie arbeitete, wollte man ihm ihre Privatadresse nicht geben. Auch über die Nahtod-Webseite Efterlivet hatte er nach ihr geforscht, doch die einzige Person, die sie persönlich kannte, Agnes Davidsen, eine frühere Hebamme und jetziges Mitglied von IANDS , der International Association for Near-Death Studies, hatte sich geweigert, ihm Hannahs Telefonnummer zu geben. Er hatte unzählige Stunden damit verbracht, Artikel zu lesen und sich Videos im Internet anzusehen. Dr. Bruce Greyson, der von den vielen Nahtodepisoden berichtete, die immer häufiger überall auf der Welt rapportiert wurden. Anfangs hatte er das Gleiche gedacht wie alle anderen: dass es sich bloß um die letzten halluzinatorischen Krämpfe des Hirns handelte, das sich die Vorstellung des nahenden Todes mit dem Licht am Ende des Tunnels erleichtern wollte. Aber so viele Fälle waren wirklich nicht zu erklären gewesen: So die Geschichte des Mannes, der im Tod seine biologische Schwester trifft, die er nie gekannt hat, und der, nachdem er wiederbelebt worden ist, versucht, diese Schwester zu finden, und dabei herausfindet, dass sie ein Jahr zuvor verstorben ist. Eines hatten beinahe alle Nahtoderlebnisse gemeinsam: Man traf andere »Tote«. Seelen, die auf der anderen Seite bereitstehen, um einem zu helfen oder auf Fragen zu antworten.
Peter V . Jensen .
Er las den Namen noch einmal. Peter V. Jensen. Dieser Mann musste ihm helfen, eine Antwort auf die wichtigste aller Fragen zu erhalten. Die einzige von Bedeutung. Und das heute noch. Er brauchte einen Augenblick, um sich all das in Erinnerung zu rufen, was er über Peter wusste – all das, was er verwenden konnte: Peter war mit 17 von einem Baum gefallen. Er war auf dem Rü cken gelandet, den Kopf in einer unglücklichen Position, sodass er auf der Stelle tot gewesen war. Doch obwohl Peter seinen Körper nicht mehr gespürt hatte, hatte sein Gehör nie ausgesetzt. Er hatte das Weinen seines Freundes gehört und wie seine Mutter aus dem Haus zu ihnen gelaufen war. Und er hatte den Wind gehört, so laut und deutlich wie nie zuvor. Das Rauschen, freundlich, ein Strom aus Leben, der mit vielen Hundert Kilometern in der Stunde vorbeirauschte, unaufhaltsam und mitreißend. Und dann hatte er die Augen geöffnet und sich selbst gesehen. Er schwebte über der alten Eiche und dachte, wie fantastisch der Baum von dort aussah – dass Gott die Bäume erschaffen hatte, damit sie von oben betrachtet wurden, allein ihrer Schönheit wegen. Wir Menschen mussten uns mit dem Anblick der Konstruktion begnügen, dem Stamm und den Zweigen. Wir schauen nach oben in das Blätterdach wie in eine Kirche, Gott aber blickt nach unten und sieht den perfekten Bogen aus Laub, ja, genau so hatte Peter sein Erlebnis beschrieben, bevor es ihn weitergezogen hatte. Weiter nach oben. Er hatte die anderen Bäume sehen können, den Wald, den See, und schon bald hatte er die Erdkrümmung ausmachen und erkennen können, dass alles in den gleichen Formen erschaffen worden war. Er hatte gefühlt, wie alles zusammenhing und dass der Wind mit seiner freundlichen Kraft wie ein Atem war,
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