Der Schlaf und der Tod: Thriller (German Edition)
Einwandererbanden. Rockerlehrlinge, die sich und anderen etwas beweisen mussten. Im Moment war alles friedlich. Trocken, warm und still. Ein Mann ging mit einem Hund dicht an seinem Auto vorbei. Ein Liebespärchen folgte ihm. Er sah ihnen nach. Verliebt sein. Das war lange her. Er stand fast am gleichen Ort wie beim letzten Mal. Aus dem Auto sah er eine Bewegung hinter dem Fenster in Peters Wohnung. Das waren gute Neuigkeiten, er war da.
Er überprüfte sein Handy. Ein paar unbeantwortete Anrufe von einem Unbekannten. Sonst nichts. Nur die Uhrzeit. 11.17 Uhr. Er musste um ein Uhr in der Klinik sein. Zwei Stunden. Etwas weniger. Reichte das? Noch einmal sah er nach oben zur Wohnung. Sie sah ganz normal aus, wie alle anderen Wohnungen auch. Dunkle Fenster, eingerahmt von verrußten Ziegeln. Bald aber würde Peters Wohnung sich von allen anderen abheben. Dann würde sie ein Tatort sein. Was für ein abrupter Wandel. Gerade noch eine stille, anonyme Wohnung, wie es sie zu Tausenden im Arbeiterviertel von Kopenhagen gab, und im nächsten Augenblick ein Tatort, der Schauplatz eines Mordes, der auf den Titelseiten der Zeitungen Schlagzeilen machte. Bald würde es hier wimmeln von Polizisten, flatterndem Absperrband, Blaulicht und Hunden. Von Journalisten mit surrenden Kameras.
Auf die Journalisten war er noch immer nicht vorbereitet. Das große Medieninteresse hatte er nicht einkalkuliert. Trotzdem sah er die nächsten Schritte voraus. Die blöden Schlagzeilen in den Zeitungen, das hektische Treiben der Fernsehreporter. Sie würden ihn zu einem Monster hochstilisieren. Zu dem Monster, das Peter V. Jensen umgebracht hat. Ein eiskalter Mörder. Vielleicht würde er sogar einen Spitznamen bekommen, auf so etwas ver stand die Presse sich ja. Der Kopenhagen-Killer. Der Wassermann. Dänemarks Jack the Ripper. Der Henker. Er schüttelte den Kopf und versuchte, seine galoppierenden Gedanken zu bremsen. Aber das war nicht leicht. Sein Hirn kam im Moment einfach nicht zur Ruhe. Sicher lag das auch an den Medikamenten, die er in sich hineinstopfte, um wach zu bleiben. Er schloss die Augen und versuchte, zur Ruhe zu kommen. Ohne Ruhe ging es nicht. Andernfalls zog er zu viel Aufmerksamkeit auf sich und konnte seinen Plan nicht ausführen. Er öffnete die Tasche. Spritzen, diverse Betäubungsmittel: Ketamin, Halothan, Sevofluran. Plastikschläuche, Handschellen, Schraubhaken, Maske, Klebeband. Damit hatte er alles unter Kontrolle, dachte er. Abgesehen von den sieben bis acht Minuten, die er nicht kontrollieren konnte. Sieben bis acht Minuten. Er versuchte, nicht daran zu denken. Es gab immer ein Risiko. Die Kunst bestand darin, die ses Risiko zu minimieren und so gut wie möglich vorbereitet zu sein. Es brauchte etwa sieben Minuten, bis das Ketamin zu 100 Prozent wirkte, aber schon nach 50 Sekunden würde Peter geschwächt sein, sodass es gut möglich sein sollte, ihn in Schach zu halten. Ab diesem Moment dürfte es keine Probleme mehr geben. Dann war er vollkommen in seiner Gewalt. Natürlich konnten auch andere Dinge schiefgehen. Es konnte unerwartet jemand kommen. Vielleicht würde es Peter auch glücken zu fliehen – so wie Dicte. Aber nein, dieses Mal nicht. Dieses Mal würde er vorsichtiger sein, das hatte er sich geschworen. Er durfte nicht damit rechnen, wieder so ein Glück zu haben wie beim letzten Mal. Nicht alle sprangen freiwillig in den Tod. Sollte er so blöd sein, noch einmal einen derart großen Fehler zu begehen, würde die Sache missglücken, das lag auf der Hand.
Die Tür ging auf, und eine hübsche, blonde Frau verließ das Haus. Peter lehnte sich aus dem Fenster. Sie warfen sich Luftküsse und verliebte Blicke zu. Wie rührend! Viel interessanter war aber, dass dieser Abschied auf eine längere Trennung hindeutete. Peter war also allein. Bis es an der Tür klingelte und ein alter Bekannter auf der Fußmatte stand. Jetzt. Das war der richtige Moment. Es gab keinen Grund, die Sache länger hinauszuzögern, größer würden seine Chancen nicht werden. Er öffnete die Tür und stieg aus dem Wagen. Mit der Tasche in der Hand überquerte er die Straße und ging zur Haustür. Er drückte dieselbe Klingel wie beim letzten Mal.
»Wer ist da?«
Er sagte die gleichen Worte wie beim letzten Mal:
»Hallo, ich muss nach oben in die vierte Etage, aber die Klingel scheint da nicht zu funktionieren.«
Die Tür wurde sofort geöffnet. Trotz des schlechten Rufs der Gegend vertrauten die Menschen einander anscheinend noch im
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