Der Schlüssel zum Tode Kommissar Morry
aus. Mit dumpfem, ersticktem Murmeln ging er auf Sergeant Robinson zu, der verkrümmt und mit abgespreizten Armen auf dem verstaubten Fußboden lag. Das eingefallene Gesicht hatte alle Jugendfrische verloren. Es sah aus, als gehöre es einem Greis. Blaue Todesschatten lagen über den eingefallenen Wangen. Die erloschenen Augen stierten gläsern und mit stummem Vorwurf auf die zu spät eingetroffenen Kollegen.
„Kommen Sie her, Swan“, murmelte Inspektor Hester erschüttert. „Sehen Sie sich das an! Was halten Sie nun von unserer Klugheit? Wir sind unfähig, sage ich Ihnen. Vollkommen unfähig. Wären wir hiergeblieben, so hätten wir in dieser Nacht einen der abgefeimtesten Mörder zur Strecke bringen können. Während wir schliefen, hat er gewacht. Er sah uns sicher Weggehen. Er wußte genau, daß Sergeant Robinson allein zurückgeblieben war.“
„Das alles ist noch keine Erklärung für den Mord“, sagte Wachtmeister Swan kopfschüttelnd. „Sehen Sie sich die Pistole an, Sir, die Sergeant Robinson noch immer in der Hand hält. Sie ist durchgeladen und entsichert. Er hat auch jetzt noch den Finger am Abzug. Warum hat er nicht geschossen, Sir? Ich wiederhole noch einmal: Warum gab er keinen Schuß auf den Mörder ab?“
„Vielleicht kam er nicht mehr dazu“, meinte Inspektor Hester zaudernd.
„No, das war anders, Sir“, behauptete Wachtmeister Swan hartnäckig. Ich will es Ihnen sagen. Sergeant Robinson kannte den Mann, der hier bei ihm eindrang. Vielleicht war es ein Kollege. Vielleicht auch ein Mädchen aus Moncktons Kellerbar . . .“
„Mädchen schießen nicht mit abgefeilten Patronen“, warf Inspektor Hester ein. „Daß ein Kollege diese Tat beging, kann ich nicht glauben. Gute Freunde hatte Sergeant Robinson nicht. Der einzige, den er besaß, ist vor kurzem gestorben. Bleibt also doch wieder am Ende nur Mack Rupper übrig. Dieser Name verfolgt mich Tag und Nacht. Er ist wie ein Phantom, das nie zu greifen ist. Wir jagen hinter einem Schatten her, Swan. Hinter einem Schatten, der uns noch zum Wahnsinn treiben wird, wenn wir ihn nicht eines Tages doch noch fassen.“
Wachtmeister Swan nagte finster an seinen Lippen. Er starrte noch immer auf den Toten nieder. Wie gebannt hingen seine Blicke an der gräßlichen Brustwunde. Es war nicht schwer zu erraten, daß auch Sergeant Robinson einer abgefeilten Patrone zum Opfer gefallen war.
„Wir müssen die Mordkommission verständigen, Sir! Glaube nicht, daß wir ein Lob von den Herren bekommen werden. Was wir da machten, war eine riesengroße Dummheit. Es ist beinahe unverzeihlich, daß wir Sergeant Robinson allein in den Tod gehen ließen.“
„Das sagen Sie jetzt“, brummte Inspektor Hester niedergeschlagen. „Gestern Abend waren Sie anderer Meinung. Sie konnten nicht schnell genug nach Hause kommen.“
Nach diesen Worten zog er sich scheu an die Tür zurück, um keine Spuren zu verwischen. Er winkte auch Wachtmeister Swan zu sich heran.
„Sie werden hierbleiben“, murmelte er halblaut. „Ich rufe gleich unterwegs die Mordkommission an. Empfangen Sie die Herren. Erklären Sie ihnen den genauen Sachverhalt. Geben Sie ruhig unser Versagen zu. Ich werde inzwischen bei Kommissar Morry vorsprechen. Er muß mich in diesem schwierigen Fall unterstützen. Allein schaffen wir es nie.“
„Kommissar Morry hat zur Zeit den Fall Jack Miller zu bearbeiten“, murmelte Wachtmeister Swan achselzuckend. „Er wird keine Zeit für uns haben, Sir, er steckt bis zum Hals in der Arbeit.“ „So kann er uns zumindest einen Rat geben“, knurrte Inspektor Hester wortkarg. „Lassen Sie das vorerst meine Sorge sein. Sie wissen jedenfalls, was Sie hier zu tun haben.“
Sprachs, tippte mürrisch an den Hut und ging in müder Haltung die Treppe hinunter.
Als er zehn Minuten später im Sonderdezernat Scotland Yards eintraf, sah er das Chefzimmer Kommissar Morrys von zahlreichen Zeitungsreportern belagert. Ein stämmiger Konstabler hütete die Tür wie sein persönliches Heiligtum. Er ließ auch Inspektor Hester nicht an ihm vorbei.
„Sorry, Sir“, brummte er. „Kommissar Morry darf nicht gestört werden. Er hat ausdrücklichen Befehl gegeben, niemand einzulassen.“
Aber so leicht war Inspektor Hester nicht einzuschüchtern. „Gehen Sie hinein zu ihm“, befahl er kurz. „Sagen Sie ihm, es handele sich um den Fall Mack Rupper. Berichten Sie ihm auch, daß wir eben Sergeant Robinson tot aufgefunden hätten. Er wird dann sicher für mich zu sprechen
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