Der Schoepfer
sehen konnte.
»Bring sie her. Und hilf mir mal.«
Sie hörten ein Auto vorfahren, und Lárus streifte mit zitternden Händen die Hose über Sveinns Beine. Jetzt waren Stimmen zu hören, ein Mann und eine Frau redeten schnell und leise miteinander, der Kies knirschte unter ihren Füßen.
Sie stürmten ohne anzuklopfen in den Hausflur und waren schon in der Küche, als Sveinn Lárus den Saum aus der Hand riss und die Hose über den Hintern und seinen verdammten Schwanz zog.
»Wir haben es geschafft, Junge«, sagte er, um Lárus zu beruhigen, der verschämt dastand und von einer Ecke in die andere spähte, so als verstecke sich irgendwo etwas, das sie entlarven konnte. Er schien nicht zu hören, was Sveinn zu ihm sagte, und als die Sanitäter, nachdem sie auf dem Weg durch den Flur mehrmals laut hallo gerufen hatten, in der Tür erschienen, beugte er sich leichenblass über Sveinn, so als trage er die Verantwortung für die ganze Situation.
»Grüß euch«, sagte Sveinn und lachte innerlich. Die Unterhose klebte ein wenig an seinem Körper, war aber vor allem trocken und sauber. Diese Truckerlesbe und der andere Klugscheißer mussten ja nicht mitbekommen, wie er mit nassem Schritt wie ein Penner in der Gosse lag und vor Demütigung jähzornig wurde. Er durfte seine Würde halbwegs behalten und würde diesen Leuten in den rotblauen Overalls aus Dankbarkeit zum Allmächtigen die Fahrt so angenehm wie möglich machen.
Die Frau hockte sich neben ihn und musterte ihn von oben bis unten. Ihre prallen Schenkel zeichneten sich durch die Hosenbeine ihres Overalls ab, der offensichtlich nicht für einen Frauenkörper gemacht war. Ihrem Kollegen stand der gerade Schnitt wesentlich besser.
»Können Sie aufstehen?«, fragte sie.
»Eben konnte ich es zumindest noch«, antwortete er.
»Können Sie laufen?«
»Nein.«
Sie berührte sein Schlüsselbein, das sich unter dem Hemdkragen wölbte, und Sveinn musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht loszuschreien.
»Kein schöner Bruch«, sagte sie.
Ihr Kollege lehnte sich gegen die zusammengeklappte Trage und stieß einen Pfiff aus, einen langen, bauchigen Ton, der Erstaunen und Bewunderung ausdrückte. »Wie haben Sie das denn hingekriegt, Mann?«, fragte er.
»Ich wollte die Glühbirne auswechseln«, antwortete Sveinn und lachte laut auf, obwohl dabei ein Schmerz durch sein Schulterblatt fuhr und sich wie eine giftige Pflanze ausbreitete.
»Wie lange haben Sie denn auf dem Korb gestanden, die Glühbirne festgehalten und darauf gewartet, dass neunundneunzig Schlaumeier kommen und das Haus über Ihnen drehen? «, sagte der Sanitäter.
Sveinn schloss die Augen. Das war genau die Reaktion, die er erwartet hatte. Sanitäter waren die härtesten Typen auf der ganzen Welt. Erbarmungsloser als Wirtschaftskriminelle und gemeiner als ein Ozeanbrecher.
»Quatsch nicht, Jónsi«, sagte die Frau. »Bring die Trage her.«
Am härtesten waren sie allerdings zu Säufern. Säufer mussten zum Krankenwagen laufen, wenn sie nicht gerade Blut kotzten
oder ihr Herz aussetzte – in dem Fall wurden sie gnädigerweise auf die Trage gewuchtet. Als er klein war, kurz bevor seine Mutter sich Gott und den Anonymen Alkoholikern zuwandte, hatte er in einer Woche dreimal einen Krankenwagen rufen müssen, weil die Alte über Schmerzen klagte, die sich in den Arm zogen, und ihre Lippen blau wurden. Und er hatte zu ihnen aufgeschaut, als sie ihm über sein blondes Haar strichen – damals war er hellblond gewesen wie Lárus –, bevor sie seine Mutter auf brutalste Weise weckten. Sie stachen ihr mit einer Bleistiftspitze unter die Fingernägel, rissen ihre Augen auf und leuchteten mit einer kleinen Taschenlampe hinein, bis sie die Hand wegzog oder mit den Augen blinzelte. Dann zerrten sie sie auf die Beine und nahmen sie zwischen sich. Außer beim dritten und letzten Mal. Da rannten sie mit ihr auf der Trage nach draußen und ließen die Tür hinter sich offen stehen.
Vielleicht hatten sie nicht aus Verachtung, sondern aus Erschöpfung so harte Gesichtszüge, aber Sveinn hatte sich dafür geschämt, dass seine Mutter nicht richtig krank war, und auch dafür, nicht hart und cool wie sie zu sein, sondern ein kleiner Schisser, dem das Herz bis in den Hals schlug.
»Eins, zwei und hepp«, sagte die Frau, und sie hoben ihn mit gemeinsamer Kraft auf die Trage und rollten ihn zur Tür. Die Frau hatte eine dünne, aber warme Decke über ihn gelegt, und er war ihr unendlich dankbar. »Diese Schmerzen machen
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