Der schwarze Magier
Gesellschaft lebt. Was macht Euch so sicher?«
»Mein Wille! Er steht über den Dingen. Deshalb kann mich niemand zwingen, auf seiner Seite zu stehen. Das konnte nicht König Richard, das konnte nicht Sultan Saladin und das konnten nicht die Templer.«
Gwendolyns Augen wurden kugelrund. »Ihr kennt König Richard?«
»Ich war mit ihm auf dem Kreuzzug im Heiligen Land und habe sein Debakel miterleben müssen.«
Jetzt blickte sie ihn voll Achtung an. »Wenn ich ein Mann wäre, wäre auch ich den Kreuzrittern ins Heilige Land gefolgt«, sagte sie mit schwärmerischem Ausdruck in den Augen.
»Es ist besser, dass Ihr kein Mann seid, denn sonst wäret Ihr tot. Nur eine Hand voll geschlagener Ritter kehrte überhaupt zurück, die anderen fanden einen wenig ruhmreichen Tod durch Ruhr und Sumpffieber.«
»Ihr seid nicht mit Richard zurückgekehrt?«
»Nein, ich blieb bei Sultan Saladin als Leibarzt seiner Tochter.«
Sie stieß einen kurzen Pfiff durch die Zähne aus wie ein Pferdeknecht. »Donnerwetter! Wie habt Ihr das geschafft? Sagt, wie sind die Frauen im Harem? Sind sie wirklich am ganzen Körper behaart und tragen deshalb diese Schleier? Sie sollen ja auch in Blut baden und Männer in ihre Wasserbecken locken, um sie darin zu ersäufen.«
Rupert lachte laut auf. »Wer hat Euch denn diesen Unsinn erzählt?«
Gwendolyn schien beleidigt. »Stimmt das etwa nicht, was die Männer der Kirche von den verderbten Muselmanen und ihren schwarzen Frauen erzählen?«
»Die Männer der Kirche? Denen hat das Zölibat schlechte Träume beschert. Das Leben hinter sarazenischen Mauern oder in ihren Zelten ist voll von Köstlichkeiten für Seele und Körper.«
»Ihr müsst mir davon erzählen«, rief Gwendolyn aufgeregt.
Er beugte sich zu ihr vor. »Gern, aber nur, wenn ich aus freien Stücken Euer Gast sein darf. Dann plaudert es sich viel angenehmer.«
Gwendolyn klatschte in die Hände. »Bringt Speisen für unseren Gast!« Zu Rupert gewandt, sagte sie: »Ihr müsst entschuldigen, dass ich Euch nur eine einfache Kost bieten kann. Ein Kriegslager ist keine Schlossküche, aber ich verspreche Euch…«
»Versprecht mir nicht zu viel. Zuvor gestattet mir, dass ich nach Euren Verwundeten sehe. Euer Medicus ist offensichtlich dabei, ihnen den Garaus zu machen.«
»Was? Aber ich habe einen guten Arzt. Der versorgt schon seit zwanzig Jahren die Ritter meines Vaters.«
»Dann wird es Zeit, dass er sich aufs Altenteil begibt. Ich bin gleich wieder zurück.« Rupert eilte in das Sanitätszelt, wo die Verwundeten sich in ihren Schmerzen auf der Erde wälzten. Ein dürres Männlein mit blutverschmierten Händen sprang zwischen ihnen hin und her, während ein Geistlicher laut aus der Bibel las. Rupert packte beide gleichzeitig an ihren Kitteln und beförderte sie unter deren wildem Protestgeschrei aus dem Zelt heraus. »Bring mir die lederne Tasche von meinem Pferd«, befahl er einem Knappen, der starr am Zelteingang stehen geblieben war. »Na, wird’s bald?« Ruperts Augen schleuderten zornige Blitze. Der Knappe rannte hinaus und kam gleich darauf mit der Tasche zurück. »Und nun bring Wasser, heißes und kaltes, so viel du tragen kannst. Aber schnell!«
Sorgfältig legte er seine Instrumente bereit, wusch sich die Hände und begutachtete die Wunden. Er nähte die Hiebe, stopfte Stichwunden aus, stützte Brüche und bandagierte Prellungen. Nur in einem Fall musste er eine Speerspitze aus dem Oberschenkel eines Ritters operieren und versetzte den Verwundeten mit Haschisch in einen Rausch, dass er kaum etwas mitbekam. Er wies den Knappen an, für die Verwundeten Decken zu besorgen und sie warm zu halten. Außerdem benötigten sie viel Wasser zu trinken und eine kräftige Brühe zu essen, außer dem Operierten, dem er einen Kräutersud zubereitete. Dann wusch er sich wieder sorgfältig, reinigte seine Instrumente und packte sie in die Tasche.
Er war nicht verwundert, als er sich umwandte und im Zelteingang Lady Gwendolyn stehen sah. Ihr Gesicht war blass und ernst. Dann blickte sie ihn aus großen Augen an. »Das ist ja unglaublich«, murmelte sie.
»Ihr habt es doch mit eigenen Augen gesehen«, erwiderte er spöttisch. »Ihr braucht es nicht zu glauben. Glauben ist etwas für schlichte Geister, Wissen ist etwas für Menschen, die ein Gehirn zum Denken haben.« Er beugte sich an ihr Ohr und strich dabei mit der Wange über ihr volles, lockiges Haar. »Und Ihr seid eine sehr kluge, geistvolle Lady. Ich erkläre es Euch, wenn Ihr es
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