Der schwarze Magier
samtschwarzen Mantel über sie aus und das Feuer glimmte nur noch, ohne dass Rigana ein Wort zu ihm gesprochen hatte. Schweigend hatten sie gegessen, das Geschirr abgespült und die Schlafstätten aufgeschüttelt. Doch plötzlich erhob sie sich und ergriff seine Hand. Sie zog ihn mit hinaus in die Dunkelheit. Sie liefen Hand in Hand bis zum Ende der Lichtung, wo sich Rigana unter einem hohen Baum niederließ. Rupert setzte sich neben sie.
»Du weißt jetzt alles über den Körper einer Frau. Zumindest äußerlich. Jetzt sollst du etwas über das Innere des weiblichen Körpers erfahren.«
»Wozu?«
»Du musst es wissen. Es ist wichtig.« Er schwieg. Alles, was Rigana ihm erklärte, war irgendwie wichtig. Vielleicht sah er es im Augenblick noch nicht, aber er ahnte, dass ihr Wissen um vieles mehr wert war als das, was er in den Büchern daheim auf der Burg oder im Kloster gelesen hatte. Vieles war ihm neu, das meiste unverständlich. Doch mit der Zeit erfuhr er, dass sich die Dinge, die sie ihm erklärte, einmal als wichtig erweisen sollten. So war es mit der Wirkung der Kräuter, so war es mit dem lustvollen Erleben seines Körpers, so war es mit den seltsamen Naturkräften, derer sie sich bediente.
Sie deutete hinauf zum Himmel, wo der Vollmond seine lautlose Bahn zog. Er strahlte ein milchig weißes Licht aus, das die Lichtung verzauberte.
»Der Mond wandert in verschiedenen Gestalten. Er beginnt als dünne Sichel, wächst und bläht sich auf, bis er rund und voll ist wie heute. Nach zwei, drei Tagen nimmt sein Licht ab, bis er gänzlich dunkel ist. Und trotzdem ist er vorhanden. Er beeinflusst mit seiner Kraft alles, was auf der Erde lebt, sogar die Erde selbst und das Wasser. Ebbe und Flut des Meeres folgen seinem Rhythmus, das Wachstum der Pflanzen, die Paarung der Tiere.«
Er warf einen unruhigen Blick auf Rigana. »Und was hat das mit dem Inneren der Frau zu tun?«, fragte er verständnislos.
»Weil auch der Körper einer Frau sich nach dem Mond richtet. Er atmet die Kraft des Mondes ein und reift, bis er fruchtbar wird. Erfolgt keine Befruchtung, so atmet er wieder aus und stößt das Bett ab, das er für das keimende Leben vorbereitet hat. Ein Bett aus weichem Blut. Dieser Rhythmus ist der gleiche wie der Rhythmus der Mondwanderung.«
Atemlos lauschte Rupert ihrer Stimme. Ihr dunkles Haar verschmolz mit der Dunkelheit des Waldes, während ihre helle Haut im gleichen silbrigen Licht wie der Mond schimmerte. Fasziniert betrachtete er sie und ahnte endlich, was sie mit der Göttlichkeit in den alltäglichen Dingen meinte. Alle und alles war durchdrungen von der allumfassenden göttlichen Kraft, man konnte sich ihr nicht entziehen, nicht außerhalb davon leben. Sie waren eins mit ihr! Und jede Frau war eine Mondgöttin, weil die Kraft des silbernen Mondes in ihr pulsierte!
Er warf sich vor ihre Füße, ohne sie zu berühren. Eine tiefe Demut durchströmte ihn, gleichzeitig verspürte er eine seltsame Kraft in sich. Es war die aufkeimende Kraft der Erkenntnis.
Der Traum quälte ihn und er fuhr entsetzt hoch. »Nein, das darfst du nicht!«, stöhnte er. Seine Hand fuhr über die Stirn und er fühlte den kalten Schweiß. Sein Blick wanderte durch den dunklen Raum zu Riganas Lager. Sie lag bewegungslos, aber ihre Augen waren geöffnet.
»Warum?«, fragte er leise. Langsam wandte sie ihm den Kopf zu.
»Weil es Zeit ist«, sagte sie.
Er kroch zu ihr herüber und legte sich an ihre Seite. Seine Arme umschlangen sie und klammerten sich an ihr fest.
»Du darfst mich nicht verlassen«, keuchte er und seine Glieder zitterten.
»Ich verlasse dich nicht. Du wirst mich verlassen.«
»Ich kann ohne dich nicht leben!« Schmerzhaft bohrten sich seine Finger in ihr Fleisch.
»Doch, du kannst«, erwiderte sie nur und schob ihn sanft von sich.
»Rigana!« Es war fast ein Aufschrei.
»Schlaf jetzt.«
Mit zusammengebissenen Lippen beobachtete er sie. Wie immer stand sie mit gebeugtem Rücken und pflückte Kräuter, legte sie sorgsam in den flachen Korb, nachdem sie einige welke Blätter abgezupft hatte. Ihr Gesicht war konzentriert, mit den Augen suchte sie die Wiese sorgfältig ab, bis sie weitere Stängel des seltenen Krautes entdeckte.
Rupert hasste sie plötzlich dafür, dass sie diesen Pflanzen mehr Aufmerksamkeit widmete als ihm. Dabei verspürte er einen unbändigen Schmerz in sich, der ihm fast die Luft zum Atmen nahm. Bemerkte sie denn nicht, dass sie im Begriff war, ihn zu töten?
Er
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