Der Schwarze Papst
In Rom gab es nur
sehr wenige Menschen, die sich aus düsteren Händeln heraushielten. Es gehörte hier so gut wie zum Atmen, verbotene Geschäfte zu machen. Hatte Milo geschmuggelt?
»Sandro könnte doch beim Papst für dich …«
Milo lachte auf. »Nein, besser nicht. Deinen Sandro halten wir da raus.«
»Aber …«
»Lass es gut sein. Genau betrachtet - es hätte keinen besseren Zeitpunkt für mich geben können, Rom zu verlassen. Ich war noch mit keiner Frau so eng zusammen wie mit dir, und da das nun auch vorbei ist … Meine Mutter hat fast ihr ganzes Eigentum verschenkt, mein Erbe … Das alles schreit nach einem neuen Anfang.«
Sie verließen gemeinsam das Gerüst. Unten nahmen sie sich noch einmal in die Arme, aber ohne einander zu küssen, ohne zu sprechen. Plötzlich wurde ihr Abschied von Lärm unterbrochen. Sie hörten die Schritte einiger Leute, die sich der Kirchenpforte näherten, und dem besonderen Geklapper der Brustpanzer zu entnehmen, handelte es sich vermutlich um Mitglieder der Stadtwache.
Einen Moment lang starrten sie beide überrascht und gebannt in Richtung der Pforte, in der noch niemand zu sehen war, dann kniff Milo die Augen misstrauisch zusammen.
»Gibt es einen Seitenausgang?«
»Dort drüben, hinter dem aufgespannten Tuch. Er führt zur flussabgewandten Seite der Kirche.«
»Sag ihnen nicht, dass ich hier war. Bitte, Antonia. Sag es ihnen nicht.«
»Nein, ich …«
Das war das Letzte, was sie miteinander sprachen.
»Gott sei Dank, es geht dir gut«, rief Sandro Carissimi, als er mit großen Schritten, zwei Wachleute im Gefolge, auf Antonia
zulief. Milo war hinter das aufgespannte Tuch geschlüpft, hatte aber die Kirche noch nicht verlassen.
»War Milo bei dir?«
»N-Nein.«
Carissimi seufzte. »Einerseits ist das gut, denn er hätte vielleicht - man weiß ja nie … Andererseits hätte ich ihn gerne erwischt.« Er nickte den Wachen zu, die daraufhin die Kirche verließen. Dann berührte er das Haar, das Milo eben noch berührt hatte, umarmte den Körper, den Milo eben noch umarmt hatte, küsste den Mund, den Milo …
Milo wandte den Blick ab.
Er hegte keinen Groll gegen Antonia, wünschte ihr alles Gute, aber ihnen als Paar nicht.
Hatte der Papst die Vereinbarung gebrochen? Wieso? Was waren schon fünfzehntausend Dukaten für ihn? Außerdem konnte Julius ja nicht wissen, dass Milo nur geblufft und nirgendwo einen Brief deponiert hatte, in dem die ganze Wahrheit stand.
Sandro Carissimi, dachte er. Sandro Carissimi war irgendwie dahintergekommen, dass er Carlotta getötet hatte. Dieser elende …
Als er wieder zu ihnen blickte, standen sie im grünlichen Abendlicht beieinander, das durch Antonias Fenster einfiel, das Hoffnungslicht. Sie fragte, was denn passiert sei, wieso man ihn, Milo, suche. Und Carissimi sagte, er wünschte, er könnte ihr das ersparen.
Milo hatte es besser als Antonia. Er konnte es sich ersparen und rannte weg.
Es war einer dieser himmlischen vatikanischen Abende, auf die man sich jedes Jahr freut und an die man sich jedes Jahr zurückerinnert: schmeichelnder Wind, eine Pfirsichsonne, die über die halbfertige Domkuppel streifte und bald untergehen
würde, die damaszenischen Rosen, welche, Damen gleich, erst am Abend dufteten … Julius fühlte sich wohl an der Tafel im Garten, beschirmt von einem Baldachin und der Gewissheit, sich einer großen Sorge entledigt zu haben. Heute Nachmittag hatte er die Dinge zu düster gesehen. Im Grunde war doch alles in bester Ordnung. Massa war weg, der Mörder war weg. Was wollte er noch mehr? Gewiss, die vergangenen Sünden blieben, aber alle, die von ihnen wussten, waren tot oder fort. Darauf, und nur darauf, kam es an.
So konnte er endlich einmal still genießen. Allzu oft nämlich waren lautes Gelächter und Turbulenz die Hauptbestandteile seiner Vergnügungen, heute jedoch erfreute er sich ganz für sich allein und stellte fest, dass das zur Abwechslung einmal recht schön war. Auch hatte er sich ausnahmsweise nur ein leichtes Abendmahl auftischen lassen: kalte Gemüsesuppe, Kräuterfladen, Forelle, Rübchen, Rebhuhn und Birnenkompott, dazu Käse, den er zwischendurch aß. Der umbrische Wein unterstrich die Heiterkeit der Stunde. Als Julius das halbe Mahl aufgegessen hatte, war seine Stimmung auf dem Höhepunkt, da er von der ersten Hälfte der kulinarischen Genüsse bereits erfreut worden war und die zweite Hälfte sowie die zweite Karaffe Wein noch ausstanden. Das Leben konnte so schön
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